Kritik zu A War

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Tobias Lindholms Film über einen dänischen Einsatz in Afghanistan war für den Auslandsoscar nominiert – obwohl er nie vorgibt, die Lösung für das moralische Dilemma seines Protagonisten zu kennen

Bewertung: 4
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4 (Stimmen: 3)

Die ursprünglichste, reduzierteste Form des Kriegsfilms handelt davon, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Zwar stehen dem Genre weit spektakulärere, schauprächtigere Waffengattungen als die Infanterie zu Gebot, aber bei ihr verdichtet sich die Grunderfahrung des Soldaten: sich auf unwägbarem, feindseligem Terrain zu bewegen. 

Wenn sich der Blick der Kamera zu Beginn von »A War« nachdrücklich auf die Schritte der Angehörigen einer dänischen Patrouille in Afghanistan konzentriert, weckt er eine mulmige Erwartung. Es dauert nur wenige Momente, bis einer der Soldaten auf eine Landmine tritt. Die entsetzliche Fallhöhe ihres Alltags wird dadurch augenblicklich und schockartig spürbar. Zugleich etabliert Tobias Lindholm damit ein visuelles Leitmotiv, das später in den Nahaufnahmen der Füße von afghanischen Zivilisten und am Ende eines dänischen Kindes einen herzzerreißenden Nachklang findet.

Das Mandat der dänischen Einheit besteht nicht in der Eroberung, sondern der Sicherung ihres Territoriums. Die Taliban wollen es zurückgewinnen und die Zivilbevölkerung steht zunächst einmal unter Generalverdacht. Die Truppe steht unter der Führung des verantwortungsbewussten Kommandanten Claus Pedersen (Pilou Asbæck), der ihre Moral nach dem Schrecken der Eröffnungssequenz stärken will, indem er fortan selbst mit auf Patrouille geht. Er und seine Männer sind keine Hasardeure, sondern verkörpern die demokratischen Werte, die sie verteidigen. Zu ihrem Auftrag gehört auch, das Vertrauen der Zivilbevölkerung zu gewinnen. Als Pedersen sich weigert, einer Familie Zuflucht zu gewähren, hat dies verheerende Konsequenzen. Aber während der Zuschauer noch damit hadert, dass der Kommandant sie in den sicheren Tod geschickt hat, gerät die Patrouille unter Beschuss der Taliban. Einer der Soldaten wird schwer verletzt und Pedersen fordert Luftunterstützung an. Dann jedoch stellt sich heraus, dass das Angriffsziel kein Versteck der Taliban war. Das Bombardement hat elf zivile Opfer gefordert. 

Lindholm erzählt aus exklusiv dänischer Perspektive, was der Krieg mit Soldaten macht. Die Montage führt zwei Fronten parallel, an denen Krisensituationen Fürsorge und Zusprache verlangen. Diese Sichtverengung kann man Lindholm vorwerfen. Aber die Doppelwertigkeit von Pedersens Identität als Offizier und Familienvater hat darüber hinaus bezeichnende ideologische wie strukturelle Folgen.

Die Regiearbeiten des versierten, zuweilen brillanten Drehbuchautors (»Borgen«, »Die Jagd«) sind klaustrophobe Dramen, die selbstbewusst den Vergleich mit dem amerikanischen Genrekino herausfordern: Sein Debüt gab er mit dem Gefängnisfilm »R«; 2012 kam er mit seinem Thriller »Hijacking« über Piraterie vor Somalia »Captain Phillips« zuvor. Sein neuer Film weckt Assoziationen an Kriegsfilme wie »Rules – Sekunden der Entscheidung«, die die juristische Aufbereitung von Militäreinsätzen verhandeln. Lindholm inszeniert im nervösen, agilen Post-Dogma-Stil. Sein Blick ist behavioristisch; nie behauptet er, die Antwort auf Fragen zu kennen, für die es keine richtige Lösung gibt.

Wie seine früheren Arbeiten teilt sich auch »A War« in zwei Hälften, wandelt sich auf halber Strecke in einen ebenso interessanten Gerichtsfilm. Der Fall wird nicht vor einem Militär-, sondern einem Zivilgericht verhandelt. Weder der Angeklagte noch die Zeugen tragen Uniform. Die Legislative wird von einer Richterin und einer Anklägerin repräsentiert, was die Differenzierung um so deutlicher macht: Pedersen muss sich als Staatsbürger verantworten. Er steht überdies vor einem Schöffengericht, was eine weitere Relativierung bedeutet: Vor einer Strafkammer könnte ihm lebenslange Haft drohen, hier jedoch beträgt die Höchststrafe vier Jahre. Sein Verteidiger interessiert sich nicht für Ethik, sein Geschäft sind Freisprüche. Einzig der Anklägerin scheint an einer Verurteilung gelegen zu sein. Der Tonfall, der im nüchternen, unzeremoniösen Gerichtssaal herrscht, ist so umsichtig, wie es sich für eine demokratische Institution gehört. Aber wird er die Wahrheit ans Licht bringen?

Meinung zum Thema

Kommentare

Seltener Plot: eine dänische Einheit kämpft in Afghanistan, gerät in einen Hinterhalt der Taliban. Es gibt Tote unter den Kameraden und den Einheimischen.
Regisseur Lindholm stellt die Frage nach der Verantwortung und nach der Priorität der Entscheidungen. Das dänische Kontingent unter C.M. Pedersen (Pilou Aspaek) war auf einem Patrouillengang. Sie sollten die Einheimischen vor den Übergriffen der Taliban schützen. Gleichzeitig ist es aber auch Pedersons Auftrag, seine Kameraden heil nach Hause zu bringen. Dort wartet auf den Befehl habenden Offizier seine Frau Maria (Tuva Novotny) und drei kleine Kinder. Zwischen diesen beiden Örtlichkeiten pendelt der Film hin und her, bis Pedersen der Prozess vor einem Militärgericht gemacht wird. Die Anklage geht der Frage nach: war es gerechtfertigt Luftunterstützung anzufordern, sodass mehrere Zivilisten ums Leben kamen darunter Frauen und Kinder?
Eins der schulpflichtigen Kinder von Pedersen wird verhaltensauffällig, Maria drängt ihn, wenn es sein muss, einer Gefängnisstrafe durch eine Lüge zu entgehen. ‘Der Vater muss der Familie erhalten bleiben.‘ Dass die Soldaten im Fronteinsatz ständig ihr Leben riskieren, spielt im Prozess keine Rolle. Die Befehlshierarchie ist wichtig und muss unbedingt eingehalten werden. Ein Kamerad rettet durch seine Aussage Pedersen vor der Verurteilung.
Die intensive Behandlung des Themas packt den Zuschauer durchaus und wirft ein Streiflicht auf eine längst fällige Kriegsproblematik von heute, wo Einsätze von weit weg initiiert vor Ort ausgeführt werden.

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