Serien-Tipp: »Electric Dreams«
»Electric Dreams« (2018). © Amazon
Er gilt als Visionär der Science-Fiction-Literatur. Seine Bücher über Roboter, die Gefühle entwickeln, und Menschen, die nicht wissen, dass sie Maschinen sind, wurden mehrfach verfilmt. »Blade Runner«, »Total Recall« und »Minority Report« sind Klassiker. Die Serie »The Man in the High Castle« zählt angeblich zu den erfolgreichsten Amazon-Eigenproduktionen. Für den Streaming-Dienst lag es also nahe, weitere Stoffe des Kultautors umzusetzen. Unter dem Titel »Philip K. Dick's Electric Dreams« wurden zehn Kurzgeschichten aus den 50er Jahren als 50-minütige Episoden verfilmt.
Gleich die erste Folge »Das wahre Leben« nach Motiven der Erzählung »Exhibit Peace« taucht tief ein ins Dicksche Universum. In einer futuristischen Welt lebt eine lesbische Polizistin mit ihrer attraktiven Freundin zusammen. Da sie sich von ihrem Job gestresst fühlt, überredet die Partnerin sie zu einem digitalen Urlaub vom Ich. Bei diesem Trip in eine virtuelle Realität erwacht die Polizistin im Körper eines afroamerikanischen Spieledesigners, der um seine ermordete Frau trauert.
Im Zuge des Hin- und Herswitchens zwischen den Realitäten stellt sich bald die Frage: Welche der beiden Welten ist nun real und welche künstlich? »Du bist eine Simulation«, sagt die simulierte Figur zum leibhaftigen Menschen. Oder ist es umgekehrt? Solche Spiegelfechtereien reißen den Zuschauer nur dann mit, wenn die Qualität der Umsetzung stimmt. Zu Beginn, als die Polizistin mit ihrem Kollegen ein Restaurant verlässt, sind auf der Straße statt Reklametafeln riesige, schwebende Hologramme beworbener Markenartikel zu sehen. Diese visuelle Opulenz beschränkt sich jedoch auf wenige Szenen. In den Vordergrund rücken aber bald die Dialoge. Und die klingen zuweilen recht hölzern. Auch in späteren Episoden dominiert ein kulissenartiger Kammerspieleindruck wie bei den frühen Fernsehproduktionen von »Star Trek«.
Obwohl die den »Electric Dreams« zugrunde liegenden Geschichten aktualisiert wurden, sind die jeweiligen Kernmotive beibehalten. Sie präsentieren gewissermaßen Philip K. Dick pur. Im Vergleich mit Kabinettstücken wie »Videodrome« und »eXistenZ«, in denen David Cronenberg Dicks Motive um einige Schraubenwindungen weiterdachte, wirken die Originale aus heutiger Sicht etwas angestaubt. Das zeigt sich etwa in der Episode »Autofac«. Hier werden die Überlebenden einer atomaren Katastrophe von einer vollautomatischen Fabrik mit Waren beliefert, die sie gar nicht bestellt haben. Obwohl die Welt eine postapokalyptische Wüste ist, planen die Menschen die Abschaltung dieser Smart Factory – weil sie die Umwelt verschmutzt. Diese Mischung aus Ökobotschaft und Konsumkritik erscheint ebenso fade wie die dritte Episode, in der ein kaltherziger Militarist von einer Mission zurückkehrt und seine vernachlässigte Ehefrau plötzlich als charmanter Liebhaber umgarnt. Wurde seine körperliche Hülle von einem Alien usurpiert?
Bereits der Vorspann, der die Motive wie in einem konventionellen Werbespot aufblitzen lässt, erscheint ästhetisch nicht so ganz durchdacht. Allerdings sind die zehn Folgen dank wechselnder Regisseure und markanter Darsteller wie Steve Buscemi und Geraldine Chaplin stilistisch und atmosphärisch recht unterschiedlich. In der vorletzten Episode »Der Pendler« glänzt der britische Charakterkopf Timothy Spall als psychisch labiler Bahnbeamter. Eines Tages entdeckt er eine Haltestelle, die es eigentlich gar nicht gibt. So folgt er anderen Menschen in eine mysteriöse Kleinstadt, in der die drückende Schwermut, die ihn nach dem Tod seines Sohnes heimsuchte, plötzlich von ihm abfällt.
Die an »Twilight Zone« erinnernde Geschichte entwickelt einen hypnotisch-gespenstischen Sog. Sie kommt nämlich ganz ohne Dicks nerdige Technikvisionen aus. Stattdessen entwirft der junge Regisseur Tom Harper ein Labyrinth der Paranoia mit reizvollen Bildkompositionen, die aus dem Fundus des niederländischen Zeichners M. C. Escher stammen könnten. Fazit: Dicks verfilmte Träume sind zwar irgendwie elektrisch, doch die meisten wurden leider nur mit Schwachstrom verfilmt.
Philip K. Dick's Electric Dreams (GB/USA 2018)
Regie: David Farr, Francesca Gregorini, Tom Harper, Julian Jarrold, Marc Munden, Jeffrey Reiner, Michael Dinner, Peter Horton, Dee Rees, Alan Taylor.
Stream (Amazon Video)
OV-Trailer
Kommentare
"nerdige Technikvisionen"
Was sind denn z.B. Dicks "nerdige Technikvisionen"? Das scheint mir eher für die filmischen Adaptionen zu passen als für Dicks Bücher.
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