Kritik zu Axolotl Overkill
Helene Hegemann adaptiert in ihrem Regiedebüt den eigenen Roman über die wilden Streifzüge der jungen Berlinerin Mifti, die von Jasna Fritzi Bauer verkörpert wird
»Irgendwann wird all das mal dir gehören, mein Sohn«, sagt Miftis wohlhabender Vater in einer Szene von »Axolotl Overkill« und deutet mit theatralischer Geste aus dem Fenster. Dann brechen Vater und Tochter in befreites Kichern aus. Es ist einer jener Momente in der Verfilmung ihres eigenen Romans, in dem Regisseurin und Autorin Helene Hegemann genau den richtigen Ton trifft. Obwohl der Dialog eindeutig sehr bewusst konstruiert wurde, strahlt der Film an dieser Stelle eine entwaffnende Lockerheit aus, wie man sie in deutschen Komödien nur sehr selten findet. Und solche sympathischen Augenblicke gibt es hier überraschend oft.
Hegemann erzählt in ihrer Adaption von der jungen Berlinerin Mifti (Jasna Fritzi Bauer), die vor kurzem ihre Mutter verloren hat. Im episodischen Erzählstil folgt der Film den depressiven Phasen, halsbrecherischen Abenteuern und skurrilen Begegnungen seiner Protagonistin, die sich mit Berliner Schnauze jeglicher Autorität widersetzt. Einen Großteil des Charmes macht dabei die Hauptdarstellerin Bauer aus, die eine nicht unähnliche Rolle bereits in Bettina Blümners »Scherbenpark« verkörperte. Im Vergleich zu diesem eher braven Sozialdrama aber bekommt Bauer von ihrer Regisseurin hier teilweise wirklich großartige Dialoge und Set-Pieces geliefert, in die sie sich mit sichtbarer Spielfreude stürzt.
Hegemann hält bei diesem rasanten Porträt gekonnt verschiedene Balancen: Weder drückt sie jemals auf die Tränendrüse, noch muss sie emotionale Momente ironisch abschwächen; weder verherrlicht sie das hedonistische Berliner Feierleben, noch erhebt sie angesichts der Drogenexzesse ihrer Figuren jemals den moralischen Zeigefinger. Dazu kommt eine überzeugende Darstellung von Miftis lesbischer Amour fou mit einer (möglicherweise auch nur eingebildeten) älteren Frau, die ihr Liebhaberin und Mutterersatz zugleich ist. Mit ebensolchem Feingefühl zeichnet die Regisseurin Miftis Freundschaft zu der chaotischen Schauspielerin Ophelia (Mavie Hörbiger).
»Axolotl Overkill« begeht zudem nicht den Fehler vieler aktueller Filme, den Zuschauern alles bis ins Detail zu erklären, sondern lässt Lücken und Ambivalenzen zu. Aus dieser Offenheit bezieht der Film einen Großteil seiner mitreißenden Stimmung – opfert dafür allerdings auch den Tiefgang. Man zieht gern mit Mifti und ihren Spießgesellen um die Häuser – nach Ende des Films sind diese Streifzüge, wie die Eindrücke einer durchzechten Nacht, aber auch schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwunden. Dazu kommen Szenen wie die mit dem Comedian Oliver Polak als Axolotl-Zoohändler und Drogendealer, die mit ihrem plumpen Kumpelhumor wie aus einem anderen, schlechteren Film hineingeschnitten wirken. Mit »Axolotl Overkill« hat Helene Hegemann also ein durchaus widersprüchliches, unebenes Stück Film produziert, das zwischen Komödie und Drama, Coming-of-Age-Story und Hipster-Satire pendelt. Das mag nicht zu jeder Minute überzeugen, ist aber weitaus spannender als hiesiger braver Kinomainstream.
Kommentare
Axolotl Overkill
Um den letzten Satz der Filmkritik von Hr. Lindemann aufzugreifen: Okay, der Film unterscheidet sich deutlich vom "hiesigen braven Kinomainstream". Aber überzeugt hat mich kaum eine Minute: Ich habe den Film eher als eine Sammlung von Szenen empfunden, die nicht immer zueinander passen; eine richtige Handlung hat sich mir kaum erschlossen; eine Nähe zum Theater (Helene Hegemanns Vater Carl war Dramaturg an verschiedenen Theatern) ist auch nicht zu übersehen: Tanzeinlagen, die eigentlich nicht zur Handlung beitragen; Szenen, in denen, warum auch immer, rumgeschrien wird; hier und da gekünstelte Sprache.
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