Kritik zu Junges Licht

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Adolf Winkelmann verfilmt einen Roman von Ralf Rothmann als Coming-of-Age-Geschichte und zugleich bittersüße Milieustudie des Ruhrpotts der 60er Jahre

Bewertung: 4
Leserbewertung
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4 (Stimmen: 1)

Der Blick vom Balkon markiert die Begrenzung der Welt des zwölfjährigen Julian Collien (Oscar Brose). Am Horizont zeichnen sich rauchende Fabrikschlote ab, schönste Ruhrpott-Tristesse mit einem Hauch von 60er-Jahre-Sozialromantik. Dort arbeitet sein Vater (Charly Hübner) im Bergbau, tagsüber und viel zu oft auch nachts. Die Mutter (Lina Beckmann) ist mit der Erziehung von Julian und seiner jüngeren Schwester Sophie überfordert: Zur Not muss der Kochlöffel herhalten – genau wie in der Schule, wo die katholischen Lehrer die Kinder noch mit dem Rohrstock disziplinieren. Und weil der Vater abwesend ist und die Mutter in ihrer Rolle wie eine Pflanze eingeht, ist Julian die meiste Zeit auf sich allein gestellt. Dann bricht er heimlich aus dem Alltagstrott aus und begibt sich auf Streifzüge durch die verrußte Arbeitersiedlung. Sein unschuldiger Blick auf eine Welt, die er noch nicht versteht und die ihm auch niemand erklärt, führt durch Adolf Winkelmanns neuen Film »Junges Licht«, mit dem der Ruhrpottchronist (»Die Abfahrer«, »Jede Menge Kohle«) an die Glanzpunkte seiner Karriere anknüpft.

Vom Boom des Wirtschaftswunders ist in der Verfilmung von Ralf Rothmanns gleichnamigem Roman aus dem Jahr 2004 wenig zu spüren. Die Menschen leiden, ohne es zu ahnen, unter der Enge eines Milieus, das Winkelmann mit viel Liebe, Skurrilität und raubeinigem Malochercharme porträtiert. Es ist eine Männerwelt mit klaren Rollenvorstellungen. Die saubere Moral der alten Bundesrepublik zwischen Arbeit, Familie und Kirche hat aber noch eine Kehrseite, die in »Junges Licht« gelegentlich durchscheint. Da ist etwa die fünfzehnjährige Nachbarstochter Maruscha (Greta Sophie Schmidt), die mit ihren Lolita-Avancen nicht nur erste Begehren bei Julian weckt, sondern auch Vater Walter um den Finger zu wickeln versteht. Ihr Stiefvater (Peter Lohmeyer) wiederum, dem das Mietshaus, in dem die Colliens wohnen, gehört, überrascht Julian manchmal in seinem Versteck im Geräteschuppen und verwickelt ihn in anzügliche Gespräche. Das Tugenddiktat unterdrückt solche Normabweichungen notdürftig, es ist aber auch ein Grund, warum Julians Mutter schließlich wegen einer »seelischen Störung« zusammen mit Sophie für eine Weile aufs Land verreist. Ohne die Frau im Haus müssen sich Julian und sein Vater zusammenraufen.

Winkelmann findet in den Bildern von Kameramann David Slama eine rührende kindliche Subjektivität. Julian läuft mit staunenden Augen durch den Film: Im Spiel ahmt er das Verhalten und die Sprüche der Großen nach, ohne überhaupt deren Bedeutung zu verstehen. So bewahren seine Streifzüge durch die Welt der Erwachsenen trotz Winkelmanns Hang zu sozialrealistischer Sachlichkeit stets ein Geheimnis, an dem sich der Blick auf das Milieu und die Erfahrungen der Kindheit brechen. Solche Diskrepanzen sorgen immer wieder für komische Situationen, wenn etwa Maruscha ihre Reize an dem Jungen testet, und Julians vermeintlich coole Antworten seine Unwissenheit verraten. In »Junges Licht« befindet sich diese Perspektivierung in einem ständigen Wandel, weil der Film unvermittelt zwischen Schwarz-Weiß und Farbe, aber auch zwischen einem fast quadratischen Bildformat und Cinemascope wechselt.

Mit diesem Kunstgriff arbeitet Winkelmann stilsicher gegen gängige Ruhrpott-Klischeebilder an, denn eigentlich ist »Junges Licht« ein Abenteuerfilm. Seine Bilder führen hinaus aus den beklemmenden Verhältnissen und verwandeln die Arbeitersiedlung in einen verwunschenen, manchmal auch gefährlichen Märchenparcours. So ist auch nie ganz klar, ob die orangerote Färbung des Himmels von den Hochöfen stammt, oder als artifizieller Farbtupfer in der tristen Realität des »Potts« gemeint ist. Die Entdeckung des Films ist Oscar Brose als Julian, der mit unerschütterlicher Neugier die Unwägbarkeiten des Coming-of-Age durchstreift. Sein wacher Blick steht der zarten Melancholie von »Junges Licht« entgegen, in der die Bundesrepublik monolithisch verharrt – während Julian, Maruscha und die anderen Kinder bereits in eine neue Welt aufbrechen.

... zur Nahaufnahme von Charly Hübner

Meinung zum Thema

Kommentare

Wirklich blödsinnige Machart im RTL-Style(alles kommentiert, wie tagsüber). Story an de Haaren herbeigezogen, Müll.
Ich Blödmann habe dafür Geld bezahlt, werde dasselbe spenden.

mfG
JB

Furchtbar, die zwei langweiligen Stunden zogen sich wie zwei Tage, nichts als Bekloppte, der einzige Normale ist der Pfarrer - wenn ich das als Antiklerikaler so empfinde, sagt das bereits alles über diesen Film.
Am Schluss fragt der Vater den wenig hoffnungsvollen Nachwuchs (wahrlich kein großes Licht), wohin er denn abhauen wollte. Dass hier als hirnlose Antwort des Knaben nur "Weiß nicht" kommen konnte, habe ich sofort vorhergesehen, denn so verhält es sich auch mit dem Sinn dieses Films.

Ich kann mich den Kommentaren von JB und Erich Fischer nur anschließen :
Dieser Film IST Schrott ! Stinklangweilig, brutal, voller Halbwahrheiten und Vorurteile.
Ich habe über 30 Jahre in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets gelebt; auch in Dortmund, der Stadt des Regisseurs und ich kann versichern dass dies eine ganz andere Welt ist wie in den krassen Vorstellungen des Herrn Winkelmann. Die Menschen im Ruhrgebiet sind bei weitem nicht so primitiv und sexistisch wie in diesem Film beschrieben !

So wie in dem Film hab ich von meiner Mutter auch den Hintern anständig voll gekriegt, aber Lederhose runter und es gab tüchtig auf den nackten Bubenhintern!

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