Das »Ghostbusters«-Remake: Macht Euch locker, Jungs!

»Breaking Bad« (2008-2013). © AMC

»Breaking Bad« (2008-2013). © AMC

Im Internet kann ein Film versenkt werden, bevor er überhaupt in irgendeinem Kino gelaufen ist. Wie das »Ghostbusters Remake des Komödienspezialisten Paul Feig. Liegt es daran, dass Frauen hier die Hauptrollen spielen? Birgit Roschy über die Macht des Webtratsches

Kristen Wiig und Melissa McCarthy, die beiden derzeit lustigsten Frauen des US-Kinos, gemeinsam in einer Actionkomödie – diese Nachricht löst doch bestimmt nicht nur bei mir ein Kribbeln der Vorfreude aus? Nicht so, wenn man den Verlautbarungen aus den Tiefen des Internets glauben schenken will. Der vor Monaten gestartete Trailer von »Ghostbusters« erzeugte einen riesigen Shitstorm in den sozialen Medien. Die Berichterstattung über das Ausmaß des meist anonymen Filmmobbings spitzte sich schnell auf die Frage zu, ob die »Ghostbusters«-Neuauflage deshalb so verteufelt wird, weil darin Frauen die Rollen der tapferen Geisterjäger übernommen haben.

Zur Erinnerung: Als Beurteilungsgrundlage dienten gerade mal zweiminütige Filmhäppchen. Doch das reichte, um auf YouTube mit bis jetzt über 900.000 Daumen-runter-Klicks abgestraft zu werden, womit der »Ghostbusters«-Trailer an die Spitze der unbeliebtesten YouTube-Filmtrailer rückte. Zum Wortführer unter den vielen Internetforen für Film-Geeks stieg James Rolfe, der Betreiber des YouTube-Kanals »Cinemassacre«, auf, der sich weigert, den Film überhaupt anzusehen. In einem geschwätzigen sechsminütigen Monolog über seinen Boykott kritisiert er die im Trailer sichtbaren Computereffekte, beklagt aber vorrangig das Konzept der »female Ghostbusters« als Etikettenschwindel und erhebt das Original zu sakrosanktem Kulturgut. Er bemängelt, dass die Originaldarsteller – Harold Ramis ist mittlerweile tot – nur Cameoauftritte haben. Nun brachten vom »Dschungelbuch« über »Superman« bis zu »Star Wars« auch andere Filmschätzchen vergangener Jahre Remakes, Reboots, Sequels und Prequels mit fliegenden Darstellerwechseln hervor, ohne dass es einen vergleichbaren Aufstand gegeben hätte. »Die Ghostbusters waren meine Kindheit,« lautet indes die Klage vieler Geeks, die bloß durch den Trailer des weiblichen »Ghostbusters«-Reboots schwer traumatisiert scheinen.

»Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht« (2015). © Disney/Lucasfilm

Schon beim letzten »Star Wars«-Film gab es laut dem Filmblog »Women and Hollywood« Ärger, weil der Part des jugendlichen Helden von einer Frau übernommen wurde. Allerdings bekommt, anders als beim neuen »Ghostbusters«-Team, das Jungspublikum jede Menge anderer männlicher Identifikationsfiguren serviert. Und wo Rolfe umständlich um den heißen Brei herumredet, werden anonyme Postings deutlicher.

Die Wut scheint tatsächlich der gänzlich weiblichen Besetzung der Kultkomödie geschuldet: »Leute, kapiert doch endlich, dass Frauen nicht lustig sein können« oder »Feminazi-Progaganda« ist da zu lesen. Schließlich reagierten auch die Filmemacher auf die Anfeindungen. »Ghostbusters«-Regisseur Paul Feig (»Brautalarm«), der seine Hollywoodkarriere mit der Serie »Freaks and Geeks« begonnen hatte, bemerkte unverblümt: »Die Geek-Szene beheimatet einige der größten Arschlöcher, die ich je getroffen habe.« Auch die Stars des Originals von 1984 sprangen den »Mädchen«, so Bill Murray, öffentlich bei. Und Melissa McCarthy, die sich über die hasserfüllten Reaktionen wundert – »Ich dachte nur: Ernsthaft?« –, gibt gekränkten Fans den Rat: »Ich hoffe, ihr kommt öfter mal raus. Die Welt ist schön.«

Tatsächlich könnte man diesen Sturm im Internet so relevant finden wie den Sack Reis, der in China umfällt. Doch mit dieser Sicht unterschätzt man möglicherweise, wie sehr die Internetbewertungen meist anonymer User das kommerzielle Schicksal eines Filmes beeinflussen. Dabei gilt es zunächst auf etwas hinzuweisen, was ohnehin Allgemeingut ist: Bei Internetkommentatoren sind Männer überproportional vertreten. Internetnutzer sind zwar ungefähr zu gleichen Teilen männlich und weiblich, doch Männer geben viel öfter ihren Senf dazu.

Der gefühlte Sexismus in der Bewertung von Filmen über oder von Frauen lässt sich jedoch schwer mittels Fakten dingfest machen. In einer akribischen statistischen Auswertung der Punktvergabe in der größten Filmdatenbank IMDb (Internet Movie Database), die von monatlich 200 Millionen Menschen besucht wird, wurden aber zumindest bei der Bewertung von Fernsehserien durch die registrierten Nutzer beklemmende Muster sichtbar. So kam zum Beispiel die Erfolgsserie »Sex and the City« in einer von 1 bis 10 reichenden Rangliste nur auf mittelmäßige 7,0 Punkte im Durchschnitt, während etwa »Game of Thrones« oder »Breaking Bad« jeweils 9,5 Punkte bekamen. Bei Letzteren vergaben Männer und Frauen ungefähr die gleiche Punktzahl; bei »Sex and the City« allerdings vergaben Frauen 8,1 und Männer 5,8.

Auch weitere Beispiele zeigen, dass Männer Frauenfilme schlechter bewerten als Frauen Männerfilme – und dass Männer zudem Frauenfilme weit öfter bewerteten als umgekehrt. Besonders bei populären Serien scheint so die Durchschnittszahl stark verzerrt, sprich: Filme mit weiblicher Zielgruppe werden durch männliche Intervention abgewertet. Es gibt keinen Grund, warum dies bei Kinofilmen anders sein sollte, wie die Stichprobe bei der großartigen Frauenkomödie »Brautalarm«, die in der IMDb mickrige 6,8 Punkte bekommt, zeigt.

Für die Vorgänge um das »Ghostbusters«-Reboot lässt sich dagegen eine Parallele in den Achtzigern finden. Damals wurde von der Spielzeugfirma Mattel als spiegelbildliche Ergänzung zur Superhelden-Zeichentrickfigur He-Man aus der »Masters of the Universe«-Fernsehserie (zu denen später auch »The Real Ghostbusters«-Figuren gehörten), die Superheldinnen-Figur She-Ra kreiert. Nach dem Vorbild von He-Man und seinen Mitkämpfern trat sie als Anführerin einer Amazonentruppe auf. Doch es zeigte sich, dass bei den nacheinander in einem Block ausgestrahlten Cartoons die Mädchen zwar »He-Man« schauten, die Jungs aber bei She-Ra umschalteten. Zur Enträtselung dieses Widerstands bei den Jungs wurde sogar eine Kinderpsychologin engagiert (es hat wohl was mit der Loslösung von Mama zu tun). Und in den Spielzeugläden wusste man nicht, ob man die Crossover-Figur She-Ra nun zu den Barbiepuppen oder zu den Actionfiguren ins Regal sortieren sollte. Bald kehrten die Produzenten zum gewohnten Schlumpfine-Konzept zurück – zu Serien, in denen, wie bei den Schlümpfen, das weibliche Element nur für Romantik und als Vorwand für heroische Rettungsaktionen diente. Auch die legendären »Ghostbusters« von 1984 mit Sigourney Weaver gehorchen dem konservativen Prinzip des Gruppenbilds mit Dame, nach dem sich die jungen männlichen Geeks so heftig zurücksehnen.

Sigourney Weaver in »Ghostbusters – Die Geisterjäger« (1984). © Warner/Columbia

Der hysterische Hass-Buzz um die Geisterjägerinnen ließe sich andererseits auch als willkommene und vielleicht sogar gezielte PR-Kampagne interpretieren. Ivan Reitman, der beim Original 1984 und bei der Fortsetzung 1989 Regie führte und den neuen Film produzierte, sagt: »Ich finde, es gibt einfach zu viel Geschwätz wegen des Geschlechts. Ich denke, dass viele von denen, die sich beschwert haben, in Wahrheit Fans der Originalfilme sind, keine Frauenhasser per se.« Anders als Regisseur Feig, der die Kommentare den »ekelhaftesten, frauenfeindlichsten Scheiß«, den er in seinem Leben gehört habe, nennt, scheint der erfolgreiche Komödienproduzent und erfahrene Hollywood-Mogul darauf bedacht, die Fans nicht noch mehr zu reizen. Er deutet die giftigen Kommentare zum Liebesbeweis um: »Ich glaube, die Liebhaber der originalen Filme halten es für eine Art Sakrileg, den Film neu zu drehen, weil es so ein bedeutender Teil ihrer Kinoerfahrung mit sieben bis acht Jahren war. Das ist etwas, das man nicht unterschätzen darf – und ich respektiere diese Liebe voll und ganz.«

Die Erfahrung zeigt aber, dass geballtes Ressentiment und Herdentrieb einen Film schon vor der Erstaufführung vernichten können; so geschehen etwa bei der stylischen Comicverfilmung »Catwoman« von 2004. »Der Film wurde von einem gewissen Pitof gedreht«, giftete damals die »Washington Post«. Vielleicht ging es darum, einen französischen Regisseur wegzubeißen. Vielleicht aber (nur so eine Idee) störten sich Kritiker daran, dass, statt ein kindisches Superheldenmärchen mit Shakespeare'schem Tiefsinn zu pimpen, der Film zur glühenden Ode an die erotische Power von Halle Berry umfunktioniert wurde – und dass auch angesichts von Catwomans Sparringspartnerin Sharon Stone und einer Katzenprofessorin die männlichen Mitspieler offensichtlich nichts mehr zu melden hatten.

»Catwoman« (2004). © Warner Bros. Pictures

Die Rolle der Meinungsmacher von der gedruckten Presse scheint, so zeigt der neue Disput, nun von den Kindmännern aus der Parallelwelt der Nerds und fantasysüchtigen Geeks okkupiert zu werden, die in ihrer Abgedrehtheit selbst oft ein Thema für Filmkomödien sind. Das ist, siehe weiter oben, keine gute Nachricht für Menschen, die finden, dass Frauen und ihre Belange mehr Gewicht im Film haben sollten. Und für Cineasten möglicherweise auch nicht, denn den klick- und kommentierfreudigen Geeks dürften vor allem Genre- und Eventfilme am Herzen liegen.

So orientieren sich laut dem »American Moviegoing Report« von 2013 41 Prozent der sogenannten Millennials in ihrer Seh- oder Kaufentscheidung an den Durchschnittswerten von Metadatenseiten wie der IMDb – die von amazon.com aufgekauft wurde. Vielbesucht sind auch die Websites metacritic.com und rottentomatoes.com, wo Pressekritiken, auf Stichwortsätze reduziert, gesammelt werden. Bei Metacritic werden sie nach einem dreifarbigen Ampelsystem gewertet und bei Rottentomatoes nach den Kategorien fresh oder rotten; Differenzierungen fallen bei dieser Methode weg. Auch innerhalb der Parameter dieser Plattformen gibt es, wie Lucas Barwenczik auf kino-zeit.de ausführlich analysiert, viel Spielraum für Manipulationen.

Zurück zu verzerrten Statistiken: Ein Dauerthema in der Debatte sind, neben der geringen Zahl von Regisseurinnen, die geringeren Gagen von Schauspielerinnen. Angesichts des Widerstands gegen die weiblichen »Ghostbusters« erweist sich das Argument, dass der Marktwert von männlichen Blockbuster-Stars nun mal höher sei, als Zirkelschluss. Wie sollen Schauspielerinnen ihren Marktwert steigern, wenn sie in Blockbustern nicht in die erste Liga vorrücken dürfen? Man darf gespannt sein, ob McCarthy & Co. dazu beitragen, diese Männerdomäne zu knacken. Auch wenn auf dem Filmplakat der Rezeptionist (Chris Hemsworth) der Geisterjägerinnen ziemlich prominent erscheint. Dabei zeigen die Zahlen im Filmbusiness paradoxerweise, dass durch die Diskriminierung von Frauen den Studios viel Geld entgeht. Denn Filme mit Frauen in den Hauptrollen erzielten etwa im Jahr 2014 im Schnitt 3,3 Prozent höhere Einnahmen als die mit Männern.

»Ghostbusters« startet am 4. August

Meinung zum Thema

Kommentare

Dass 'Sex and the City' in der IMDB von Männern schlechter beurteilt wird als von Frauen ist nun wirklich kein überzeugender Beleg für Sexismus in der Beurteilung von TV-Serien oder Filmen, sondern hat doch wohl eher mit der Zielgruppe zu tun. Wie im Artikel schon geschrieben steht: Es sind eben mehr Männer bei der IMDB unterwegs als Frauen, und das "verzerrt" mit Sicherheit die Beurteilungen. Na und? Ganz ehrlich: Mir als Cineast ist das "kommerzielle Schicksal" von US-Mainstream-Filmen ziemlich egal. Mich würde eher die Frage interessieren: Gibt es eigentlich auch ähnliche Beobachtungen im US-Independent-Kino? Oder bei europäischen Filmen?

Das interessantere Detail ist die Art und Weise, mit der sich manche (viele?) Nerds zum neuen Ghostbusters geäußert haben: Wie in fast allen Internetforen zeigt sich darin eine beängstigende Verrohung in der Kommunikation. Sexistische und frendenfeindliche Äußerungen nehmen eindeutig zu.

By the way: In der Internetzeitung KONTEXT gab's mal einen Artikel zum Thema Superheldinnen, bzw. den Mangel an ebensolchen in aktuellen Filmproduktionen. Passt ganz zum Thema des Artikels hier.

http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/273/vom-sidekick-zum-arschtritt-3722.html

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