»True Detective« Staffel 2: Streaming-Start und Gewinnspiel

Trailer englisch © HBO

Die geheime Geschichte einer Stadt

Gewinnspiel

– Gewinnspiel beendet, unsere Glückwünsche an die Gewinner der Shirts und Soundtracks – 

Zum VoD-Start der zweiten Staffel verlosen wir zusammen mit HBO Home Entertainment 2 T-Shirts und 2 Soundtracks zu »True Detective«. Um zu gewinnen beantworten Sie uns folgende Frage: "Welches Buch befindet sich auf dem Nachttisch der von Rachel McAdams gespielten Figur Ani?".

Schicken Sie uns einfach eine eMail mit der Antwort, Ihrer Adresse und dem Betreff Detective an
Tipp: Die Antwort findet sich in der unten folgenden Besprechung der zweiten Staffel! Einsendeschluss ist der 31. Oktober.
 

Besprechung

Immer wieder kehrt die zweite Staffel von »True Detective« zu dieser ikonischen Einstellung zurück: Aus großer Höhe blickt die Kamera hinunter auf die Stadt und erfasst die verschnörkelten Freeways und Ausfallstraßen, die sich wie Kapillaren durch die nächtliche Landschaft ziehen. Das für die Topografie von Südkalifornien so prägende Straßengeflecht, das die metastasenartig wuchernden Vorstädte im Speckgürtel des Orange County mit den Metropolen Los Angeles und San Diego verbindet, hat auch 25 Jahre nach Mike Davis' großer Studie »City of Quartz« über die Urbanisierung und Industrialisierung Südkaliforniens im 20. Jahrhundert nichts von seiner Faszination verloren. Aus der Distanz betrachtet bildet dieser Organismus, der den motorisierten Stahl durch seine Verkehrsschlagadern pumpt, prächtige Formen und Muster. Er verleiht den Luftaufnahmen eine Struktur und Übersichtlichkeit, die sich auf dem Boden in undurchschaubaren ökonomischen Machtverhältnissen und politischer Korruption verliert.

Die industrielle Kleinstadt Vinci, die mehr Arbeitsplätze als Einwohner zählt, steht in der zweiten Staffel von »True Detective« im Zentrum dieses Korruptionsherdes. Auf Augenhöhe mit dem Verbrechen erscheint die Lage allerdings im wahrsten Sinne des Wortes aussichtslos. Fast könnte man meinen, dass Drehbuchautor und Showrunner Nic Pizzolatto diese Unübersichtlichkeit selbst zum Thema seiner ausufernden Erzählung macht. Das Spiel mit Genre-Archetypen, mit Erzählzeit und verschiedenen Handlungsebenen erreicht im Vinci-Zyklus eine Komplexität, die an Klassiker des Film noir, an »Tote schlafen fest« und seinen Nachfahren »Chinatown«, erinnert.

Die Kritik, noch tief ergriffen vom virtuosen Zusammenspiel des Dream-Teams Matthew McConaughey/Woody Harrelson, zeigte in diesem Sommer keine Milde mit der zweiten »True Detective«-Staffel. Hauptkritikpunkte waren neben dem konfusen Drehbuch und Figurenzeichnungen am Rande des Klischees insbesondere die Hauptdarsteller Vince Vaughn, Colin Farrell, Rachel McAdams und Taylor Kitsch, die im Sog der politischen Verschwörung tatsächlich etwas verloren wirkten. Da half es auch nichts, dass die Geschichte nach einem behäbigen Start Fahrt aufnahm und zum Ende der vierten Episode mit einem spektakulären Shoot-out einen dramatischen Höhepunkt erreichte.

Rückblickend war die hämische Kritik an den acht Folgen übertrieben. Viele Probleme der zweiten Staffel waren schon im hochgelobten Louisiana-Zyklus evident: Pizzolattos Vorliebe für wortreiche, aber letztlich hohle Pulp-Dialoge, das Overacting der Darsteller und ein unstrukturiertes Drehbuch. Die Wahrheit liegt wohl eher zwischen den beiden extremen Positionen: Die erste Staffel wies gerade gegen Ende gravierende dramaturgische Mängel auf – von der Existenz des ominösen Rasenmähermanns bis hin zu einer nicht aufgelösten Verschwörung –, während die zweite Staffel von Folge zu Folge atmosphärisch dichter wird.

Das Rezeptionsproblem ist wohl eher den unterschiedlichen Erzählstrukturen geschuldet. Die erste Staffel konzentrierte sich, nicht zuletzt auf Kosten der weiblichen Nebenfiguren, auf zwei Charaktere und rollte deren Geschichte über mehrere Zeitebenen auf. Die Vinci-Erzählung ist mit vier Hauptfiguren und unzähligen Nebencharakteren wesentlich komplexer angelegt: Ähnlich wie »The Wire« funktioniert die zweite Staffel besser, wenn man die einzelnen Episoden ohne Pause schaut. Im wöchentlichen Modus gehen scheinbar nebensächliche Details in der Fülle an Informationen leicht unter.

So entwickelt etwa die vielkritisierte erste Episode gerade dank ihrer Langsamkeit eine effektvolle Dramaturgie, die die drei Hauptfiguren – deren Vorgeschichten anders als in der ersten Staffel en passant abgewickelt werden – schließlich am Fundort einer Leiche zusammenführt. Die letzte Einstellung, in der Detective Ray Velcoro (Farrell), Detective Ani Bezzerides (McAdams) und Highway- Cop Paul Woodrugh (Kitsch) ratlos um die Leiche des Stadtpolitikers Ben Caspere herumstehen, wirft einen langen Schatten auf die kommenden Episoden.

Durch Zufall (das dramaturgische Prinzip von Pizzolattos Drehbuch, wie sich schnell herausstellt) haben sich die Wege dieser drei gebrochenen Charaktere gekreuzt, nun werden sie von ihren Vorgesetzten zur Zusammenarbeit verdonnert. Fremdbestimmt ist auch das Schicksal von Gangsterboss Frank Semyon (Vaughn). Der gewaltsame Tod des Stadtoffiziellen, der Franks krumme Geschäfte mit dem Kauf einer großen Fläche Land legitimieren sollte, zwingt ihn zum Handeln.

In der ersten Staffel war das male bonding zwischen McConaughey und Harrelson, das stets eine Aura von deliranter Improvisation und maskuliner Hybris umgab, die Hauptattraktion. Pizzolattos frei flottierende Dialoge fanden in ihrem ungezwungenen, immer wieder auch selbstironischen Spiel einen idealen Resonanzkörper. In der brütenden Noir-Stimmung der zweiten Staffel mit ihren ernstlich abgefuckten Hauptfiguren haben Pizzolattos Sätze dagegen eine fast absurde theatralische Qualität, gewinnen einen ganz eigenen Reiz. Vaughns gepresste Sprache zwischen Don Corleone, James Ellroy und Shakespeare ist eines dieser markanten Stilmittel, die das eigentliche Thema von »True Detective« unterstreichen: Es geht Pizzolatto um die Mythifizierung der großen amerikanischen Genre-Tropen – nicht um deren Neuerfindung. Die erste Staffel stand im Zeichen des »Southern Gothic « – Regisseur Cary Fukunaga, der alle acht Episoden drehte, setzte die Bayous von Louisiana als morbide Mythenlandschaft in Szene –, die zweite widmet sich dem »L.A. Noir«.

Dass Pizzolatto sich dabei als mittelmäßiger Dramaturg erweist, ist verzeihlich. Schon Raymond Chandler war eine gut geschriebene Szene wichtiger als ein plausibler Plot. Pizzolattos Konvolut von Drehbuch, seine ausgebrannten Figuren und der Gegensatz zwischen den flachen, sonnengebleichten Bildern und den düsteren Geheimnissen, die unter der Oberfläche lauern, sind selbst bereits Klischees des »L.A. Noir«. Pizzolatto interessiert sich vielmehr für eine Geheimgeschichte: »the secret occult history of the U.S. transportation system«, wie er in einem Interview erzählte. In der ersten Staffel gab es das Okkulte bloß als Versatzstück, da blieb vom Mysterium des amerikanischen Südens nur ein atmosphärisches Rauschen übrig. In der Vinci-Erzählung ist diese Geheimgeschichte substanzieller, sie ist in jeder Stadtansicht und selbst in den schummerigen Bargesprächen zwischen Ray und Frank gegenwärtig. Frank macht seine eigene Zukunft von der Zukunft des sterbenden Industriestandorts Vinci abhängig. Er hat sein ganzes Geld auf ein Geschäft gesetzt, das die südkalifornische Transportinfrastruktur modernisieren soll – und damit auch die Verkehrsknoten lösen würde, die Pizzolatto so vielsagend aus der Luftansicht zeigt.

Mit seinen Figuren tut sich Pizzolatto dagegen entschieden schwerer als in der ersten Staffel, ihnen fehlt das luzide Charisma von McConaughey und Harrelson. Vaughn, Farrell, McAdams und Kitsch spielen ihre Rollen introvertiert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Starpower auf vier Darsteller verteilt ist (wobei man die exzellent besetzten Nebenrollen wie Rick Springfields Schönheitschirurgen Irving Pitlor und Ritchie Coster als Bürgermeister nicht vergessen sollte). Dass sich im Lauf der Geschichte ausgerechnet Kitsch, der schweigsamste der vier wortkargen Hauptdarsteller, in der Rolle des traumatisierten, sexuell frustrierten Streifenpolizisten zum heimlichen Sympathieträger entwickelt, beweist allerdings, dass Pizzolatto sich durchaus auf komplexe Charakterzeichnungen versteht. Auch Rachel McAdams' toughe Ani, auf deren Nachttisch eine Ausgabe von »Hagakure: The Book of the Samurai« liegt, kann zumindest teilweise für das erbärmliche Frauenbild der ersten Staffel entschädigen, für das Pizzolatto viel Kritik einstecken musste. Der Vinci-Erzählbogen versucht viel Neues, und er ist epischer angelegt. Den Anspruch der neuen amerikanischen Qualitätsserien, mit dem Fernsehformat zu experimentieren, erfüllt die zweite Staffel entgegen aller Kritik: mit großer Stilsicherheit und denkwürdigen Momenten.

Streaming

Die zweite Staffel ist seit 17. September folgenweise als Digital HD abrufbar. Die Episoden erscheinen jeweils freitags, und die komplette Staffel steht ab dem 6. November 2015 zum Download zur Verfügung.

Die Anbieter im Überblick:


Amazon Instant Video: Staffel 1 | Staffel 2

Sky: Staffel 1 | Staffel 2

Maxdome: Staffel 1 | Staffel 2

iTunes: Staffel 1 | Staffel 2

Wuaki: Staffel 1 | Staffel 2

Meinung zum Thema

Kommentare

Vielleicht geht es nur mir so, aber diese Rezension klingt wie Werbung.

... dann wäre unser Autor jedoch ein äußerst unbegabter Werbetexter:

– Dass Pizzolatto sich dabei als mittelmäßiger Dramaturg erweist, ist verzeihlich.

– Mit seinen Figuren tut sich Pizzolatto dagegen entschieden schwerer als in der ersten Staffel, ihnen fehlt das luzide Charisma [...]

– [...] Vince Vaughn, Colin Farrell, Rachel McAdams und Taylor Kitsch, die im Sog der politischen Verschwörung tatsächlich etwas verloren wirkten.

– Pizzolattos Vorliebe für wortreiche, aber letztlich hohle Pulp-Dialoge, das Overacting der Darsteller und ein unstrukturiertes Drehbuch.

– Im wöchentlichen Modus gehen scheinbar nebensächliche Details in der Fülle an Informationen leicht unter.

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