Berlinale: »Die Fabelmans«
Als Steven Spielberg am Abend des 21. Februar der »Goldene Ehrenbär« der Berlinale verliehen wurde, fiel die Wahl des Films, der die Feierlichkeiten abrunden sollte, nicht schwer: »Die Fabelmans« hat eine ganz persönliche Bedeutung für den 76-jährigen Hollywoodveteranen. Sein neuer Film ist ein Höhepunkt der Hommage, die das Festival ihm widmet. Darin kehrt Spielberg erstmals zu seinen familiären Wurzeln zurück.
»Die Fabelmans« verändert zwar die Figurennamen und einige Details, lehnt sich aber ungeheuer eng an die Biografie des Filmemachers an. Er fängt genau an in dem Moment, als sich die Weichen des Lebens für sein filmisches Gegenstück, den achtjährigen Sammy, plötzlich neu stellen. Seine Eltern nehmen ihn zum ersten Mal mit ins Kino, wo der Zirkusfilm »Die größte Schau der Welt« läuft. Mit großen Augen verfolgt der Junge das prächtige Spektakel auf der Leinwand. Besonders das Zugunglück im Film fasziniert ihn. Unverzüglich will er die Szene daheim auf der Modelleisenbahn nachstellen. Zu seinem großen Glück gibt es im Haus eine Kamera, mit der er den Zusammenstoß filmen kann. Eine Leidenschaft ist geboren.
Der junge Sammy wächst in einem jüdischen Mittelklasse-Haushalt auf, in dem Wärme und Optimismus herrschen. Vater Burt (Paul Dano) ist ein erfolgreicher Ingenieur, Mutter Mitzi (Michelle Williams) gab ihre Karriere als Pianistin auf, als das erste Kind kam. Aber eine gewisse Exzentrik hat sie sich bewahrt. Es kann schon mal passieren, dass sie ihre Kinder kurzerhand ins Auto packt, um mit ihnen einem Tornado entgegenzufahren. Sammys Schwestern wiederum sind eine lebhafte, eigensinnige Bande. Und Bennie (Seth Rogen), der beste Freund des Vaters, gehört mit zur Familie.
Das Drehbuch, das Spielberg zusammen mit dem Dramatiker Tony Kushner schrieb, nimmt sich viel Zeit für dieses behütete Heranwachsen. Es erzählt stets mehrere Geschichten gleichzeitig. Nebenbei veranschaulicht die berufliche Laufbahn des Vaters beispielsweise, wie sich die amerikanischen Computerindustrie ab den 1950er Jahren entwickelt. Der Ehrgeiz des Vaters gibt dem Film seine Struktur: Bald zieht die Familie von der Ostküste nach Arizona und schließlich nach Kalifornien um. Derweil sammelt Sammy (als Teenager gespielt von Gabriel LaBelle) eifrig Erfahrungen hinter der Kamera und am Schneidetisch. Mit seinen Pfadfinderfreunden dreht er Western und Kriegsfilme, die auch die Eltern der Kameraden begeistern.
Die Ehe seiner eigenen Eltern gerät inzwischen in eine schwere Krise. Sammy kommt ihr auf die Spur, als er die Aufnahmen eines Familienausflugs zusammenschneiden will. Hinter den Bildern von Ausgelassenheit und Harmonie kommt eine andere Wahrheit zum Vorschein. Sprechen kann Sammy über seine Entdeckung nicht, aber er kann der Mutter seinen Film zeigen.
In Kalifornien spitzen sich die Konflikte zu. Sammy steht nun zwischen den Eltern, die sich trennen wollen. Außerdem wird er an der neuen Schule als Jude gemobbt und erlebt seine erste Liebesgeschichte. Es wird für ihn eine Zeit folgenreicher Entdeckungen und Erkenntnisse. Er lernt, dass ein Filmemacher nicht nur Verantwortung für die bewegten Bilder trägt, sondern auch für die Gefühle, die sie im Publikum auslösen. Zu guter Letzt erteilt der knurrige Altmeister John Ford (gespielt von Spielbergs Regiekollegen David Lynch) dem angehenden Hollywoodregisseur eine Lektion, die er nie vergessen wird.
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