Auf der Suche nach dem richtigen Islam
Es gibt sicher noch mehr, aber zumindest drei Filme sind mir aufgefallen, die einen wie auch immer gearteten Islam als mögliches Heilsversprechen zum Thema haben. Zuerst mal »L'Adieu à la nuit – Abschied an die Nacht« von Altmeister André Techiné. Mit schöner Regelmäßigkeit dreht er Filme, die gesellschaftliche Themen behandeln und sich darüber definieren, diese in eine spannende nachvollziehbare Geschichte zu packen. Nicht selten steht ihm dabei ein weiblicher Star zur Seite, wie Juliette Binoche, Sandrine Kiberlain oder Catherine Deneuve. So auch hier. Als würde sie nicht mehr altern, spielt Catherine Deneuve hier eine Großmutter, deren Enkel sich dem Islam zugewandt hat und als IS-Kämpfer nach Syrien gehen will. Zwischen Landidyll mit Hund und Pferden und einem unglücklichen Großstadtleben sucht er eine Art Hilfssystem und glaubt das im Islam zu finden. Dass seine Freundin diesen Glauben teilt, ist dabei nicht ganz unwichtig. Mit der Zeit aber wird aus der Religion das einzig Instrument der alltäglichen Gesetzgebung, und er geht immer mehr darin verloren. Am Schluß landet er nicht in Syrien, sondern im Gefängnis. Denn tatsächlich haben die Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung in Frankreich die Möglichkeit geschaffen, Menschen zu verhaften, denen nachgewiesen werden kann, dass sie mit islamistischen Tendenzen zum Kampf aufbrechen wollen. Reisefreiheit hin oder her.
Da ist der deutsche Film »Oray«, das Kinodebüt von dem deutsch-türkischen Filmemacher Mehmet Akif Büyükatalay schon viel differenzierter. Oray ist wild. Einbrüche, Drogen und immer wieder auch gewaltsame Ausbrüche haben ihn ins Gefängnis gebracht. Dort trifft er auf einen »Bruder«, der ihn zum Islam bekehrt. »Wir sind verrückt, sagt Oray in einer Videobotschaft, nur der Islam kann uns bändigen!« Fortan versucht er legal zu leben, befragt den Imam nach der Auslegung der Schrift und beginnt für sich und seine schöne Frau eine neue Existenz aufzubauen. Dann sagt er in einem Streit hitzköpfig dreimal talaq – ich verstoße Dich, und muß nun die Scheidung vollziehen, obwohl er seine Frau noch liebt. Drastisch treffen im Film Glaube und Gefühl aufeinander. Beides ist für Oray Teil seiner Lebensgrundlage und so schildert der Film den Grundkonflikt einer archaischen Religion in einer säkularen Welt.
Und der dritte ist der bereits gestern in unseren Kinos angelaufene »Vice« von Adam McKay, der hier außer Konkurrenz im Wettbewerb lief. In diesem großartigen Film wird klar, dass US-Außenminister Colin Powell in einer Rede vor der UN 2003 den Namen Abu Musab al-Zarqawi 21 mal erwähnte und so dem nachgeordneten Al Qaida-Kämpfer eine derartige Prominenz verschaffte, dass der bis zu seinem Tod im Jahr 2006 den Grundstein der Terrororganisation ISIS legen konnte. Und das ist bei weitem nicht die einzige überraschende Erkenntnis dieses Films.
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