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Forum: »SPK Komplex« (2018, Regie: Gerd Kroske)
Alfred »Shorty« Mährländer damals und heute. In: »SPK Komplex« (2018)

Heute abend zwanzig Minuten vor Filmstart mit Akkreditierung fast kein Einlass in die mit viel nicht mehr ganz jungem Publikum überfüllte Akademie der Künste: Es war die Weltpremiere von Gerd Kroskes neuem Film über das Sozialistischen Patientenkollektiv Heidelberg. Die hatte offensichtlich neben den Kroske-Fans auch eine große Zahl an Anti- Psychiatrie und linker Geschichte Interessierter angezogen. Ein Film zum »Mitarbeiten« sei es , sagt Kroske vor der Vorstellung. Er löst dieses Versprechen ein durch eine mit vielen Archivalien abgesicherte aber doch offene Arbeit, die bis zum Schluss im Suchmodus bleibt statt zu erklären. Ein – mit dem nötigen Mut zur Lücke ausgestatteter – dem komplexen Thema gegenüber angemessen komplexer Film.

Die Parolen des SPK (am knappsten und bekanntesten »Aus der Krankheit eine Waffe machen!«) sind so griffig wie die Geschichte des Heidelberger SPK in den Jahren 1970/71 umstritten und widersprüchlich. Keine leichte Aufgabe, filmisch damit adäquat umzugehen. Kroske wählt den aufwendigen, aber angemessenen Weg zu den Quellen selbst. Und er nimmt uns mit auf seine Recherche in Archive und Privatwohnungen – ganz ohne den derzeit üblichen Reportergestus, dafür mit viel Interesse für die Situation des aus dem Archivschrank, Regal oder einer Schachteln Hervorziehens selbst. Er findet einiges: Akten und Fotos, Filme und Tondokumente von Sitzungen und Speak-Ins. Und auch stimmige Wege, seine Materialien im Film zum Sprechen zu bringen: Er verliest Justizschreiben oder Briefe statt sie wie TV-üblich mit der Kamera einzuzoomen, Tondokumente werden vom im Film sichtbaren Bandgerät abgespielt.

Und er spricht mit einigen, die damals als Akteure dabei waren oder die Ereignisse journalistisch, polizeilich oder anwaltlich begleiteten. Darunter auch die spätere RAF-Genossin Carmen Roll, die im SPK erstmals öffentlich über ihr Lesbischsein sprechen konnte und später nach ihrer Haft in Triest mit dem italienischen Psychiater Franco Basaglia bei der Transformation der italienischen Psychiatrie arbeitete. Kroske und Roll berichten beide, dass es einie Zeit brauchte, zusammen zu kommen. Auch Ewald Goerlich und Lutz Taufer erzählen von der Bedeutung des SPK in ihrer damaligen fragilen Lebenssituation, aber auch von der fortschreitenden und schnellen »Stalinisierung« der Gruppe, die (wenn man den Erzählungen trauen will) mit starker Hegel-Dominanz startete: Running-Gag des Films und nicht der einzige Anlass zu Heiterkeit im Publikum.

 Gerd Kroske und seine Protagonisten Karl-Heinz Dellwo, Ewald Goerlich, Carmen Roll und Lutz Taufer stellten sich in der Akademie der Künste den Fragen von Moderatorin Birgit Kohler und Publikum, der ebenfalls anwesende Ex-SPKler Alfred Mährländer (siehe Foto) erklärte unter freundlichem Gelächter seine »Aussageverweigerung«.

19.02. 11:00 OmEU CineStar 8
23.02. 18:30 OmEU Delphi Filmpalast
25.02. 17:00 OmEU Kino Arsenal 1

Meinung zum Thema

Kommentare

Alle fragen nach Huber. Er kommt im Film nicht vor. Das SPK schreibt dazu:
Gerd Kroske macht keinen Film über das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK). Er dreht einen Film OHNE SPK, einen Film GEGEN das SPK. Wir, SPK/Patientenfront, die wir seit damals dabeigeblieben oder neu hinzugekommen sind und weitermachen, haben jede Zusammenarbeit mit Herrn Kroske abgelehnt. Und zwar wegen seiner offensichtlichen Krankheitskollektivfeindlichkeit.
Mehr dazu hier:
http://www.spkpfh.de/Achtung_Gattungsgifter_am_Werk.htm

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