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Gerhard Midding

Das tollkühnste Lob, das ich je über eine Schauspielerin las, lautet: "She can do everything but split the atom." Ich entdeckte es vor gut zehn Jahren in einem Festivalbericht aus Telluride und habe es seither nicht vergessen. Wie auch? Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Im Deutschen bekommt man das jedenfalls nicht so knackig hin.

Gerhard Midding

Ich vermisse sie nicht. Beim letzten Mal lag sie falsch; auch, was ihren Zeitpunkt anging. Das Versprechen, sich zu erneuern, löste sie nicht recht ein. In diesem Jahr tüftelt sie herum, aktuell an einer Art von Verschwinden. Warum sollte sie weniger ratlos sein als alle anderen? Heute hätte sie beginnen sollen. Ich hatte es schon vergessen. Wir sind es momentan gewohnt, in Geisterstädten zu leben. Unsere Phantasie ist beschäftigt mit dem Danach. Im nächsten Jahr wird die Berlinale richtig gut.

Gerhard Midding

Ein Maigret, der weint? Wann hätte es das danach je gegeben? Davor schon gar nicht, denn „Um eines Mannes Kopf“ von 1933 ist erst die dritte Georges-Simenon-Verfilmung. Ich kannte Julien Duviviers Film bisher nur auszugsweise. Noch eine Lücke, die geschlossen ist. Und wieder viel mehr als das.

Gerhard Midding

Gestern ferngesehen und gefreut. „Girl“ von Lukas Dhont war eine Lücke, die ich schon lange hätte schließen sollen. Und natürlich mehr als das. Vor allem die Entdeckung eines bestimmten Tons, in dem sich heute Geschichten wie die des Transmädchens Lara erzählen lassen.

Gerhard Midding

Die Leitung der Berlinale stellte in dieser Woche noch einmal den Zeitplan der diesjährigen Ausgabe vor. Man darf sich ihren Ablauf wie die Zündung einer mehrstufigen Rakete vorstellen, nur ohne Spannung. Zuerst wird der European Film Market veranstaltet, dann laufen Teile des Programms digital, bis im Sommer hoffentlich das Publikum sein Festival erleben darf.

Gerhard Midding

Ganz mag man die Hoffnung noch nicht aufgeben, dass die Pandemie die Verhältnisse auch einmal in einem positiven Sinne zurechtrückt. So ließ Anfang des Monats die Nachricht aufhorchen, der Anteil an Hollywoodfilmen, bei denen Frauen Regie führten, sei 2020 auf ein Rekordhoch gestiegen.

Gerhard Midding

In "The Big Goodbye", Sam Wassons Buch über die Entstehung von »Chinatown«, wird der Drehbuchautor Robert Towne mit einem Begriff zitiert, der entscheidend für sein Denken und für seine Arbeit ist: "shared values", also geteilte, gemeinsame Werte. An ihn musste ich mehrmals denken, als gestern die Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris im Fernsehen verfolgte.

Gerhard Midding

Steven Mnuchin sieht aus, als könne er kein Wässerchen trüben. Auf den ersten, zweiten, dritten Blick wirkt er wie ein farbloser Bürokrat. Ich habe mir immer vorgestellt, er sei genau so wie die Figur, die er in „Regeln spielen keine Rolle“ verkörpert. Es ist nur ein Gastauftritt; ich glaube, er hat nicht einmal einen Dialogsatz.

Gerhard Midding

Wie jung seine Stimme klingt! Und gar nicht verzagt, sondern frisch und voller Enthusiasmus! Dabei werden die Tonaufnahmen, die in »Das Geheimnis Georges Méliès« zu hören sind, entstanden sein, als der Filmpionier sein Imperium längst verloren und das Publikum ihn und die unmöglichen Reisen, auf die er es einst schickte, vergessen hatte.

Gerhard Midding

Sébastien Lifshitz tut gut daran, seinen Film in Sashas Zimmer beginnen zu lassen. Der Blick ist zwar ganz auf das Mädchen konzentriert, das mit seinen Kleidern spielt und sich vor dem Spiegel betrachtet. Aber man ahnt, dass sein Refugium phantasievoll drapiert ist; im Halbdunkel der ersten Einstellung sind ein paar Schmetterlinge zu sehen, die an der Wand kleben.