Ein besonderes Geschäftsmodell
Seit US-Filme kaum noch einen Vorspann haben, der die beteiligten Künstler nennt, erfährt man, was eigentlich zählt: die Produktionsfirmen. Gerade bei Produktionen mit mittlerem Budget kommen da meist eine ganze Menge zusammen, deren Namen und Logos zuweilen einfallsreicher sind als die folgenden Filme. Ein Name, der nicht durch Originalität auffiel, aber viel versprach, war Participant.
Er war klug gewählt, denn er bedeutet einerseits "Teilnehmer" oder "Beteiligter", andererseits "Akteur". Der kanadische Milliardär Jeff Skoll (eBay) gründete sie vor 20 Jahren mit der Absicht, aktivistische, publikumswirksame Filme zu produzieren. Seitdem umfasst ihr Katalog 135 Titel, die insgesamt 21 Oscars und 18 Emmys gewonnen und weltweit $ 3,3 Milliarden eingespielt haben. In diesem Zeitraum soll Skoll laut Branchenblättern eine halbe Milliarde eigenes Geld in die Firma gesteckt haben. Nun zieht er er einen Schlussstrich unter seine durchaus philanthropische Unternehmung.
Das teilte er vor drei Tagen den 100 Mitarbeitern voller Bedauern in einem Memo mit. Vor einigen Jahren beschäftigte Participant noch dreimal so viel Angestellte. Spätestens seit der Pandemie funktionierte das Geschäftsmodell nicht mehr, da die Verleiher, mit denen sie arbeiteten, ihre Kosten drastisch reduzieren und der Markt für vermeintliche«Nischenprodukte Produktionen zusehends kleiner wird. Nun geht eine Schockwelle durch die Branche. Ein paar Filme sind noch in der Pipeline; bei uns war der Firmenname gerade noch zu Beginn von »White Bird« mit Helen Mirren zu lesen, der vor einer Woche anlief.
Die Firmengeschichte fing gut an. 2005 kamen beispielsweise George Clooney großartiger Journalistenfilm »Good Night, and Good Luck« heraus und der Politthriller »Syriana«, das Regiedebüt des Drehbuchautors Stephen Gaghan, für den Clooney einen Oscar als Bester Nebendarsteller erhielt. Mit »An Inconvenient Truth« (Eine unbequeme Wahrheit) von Davis Guggenheim (und Al Gore) feierte die Dokumentarfilmsparte des kleinen Studios im Folgejahr einen nachhaltigen Erfolg, der das Zehnfache seines Budgets von fünf Millionen einspielte. Participant wurde zu einem wichtigen Player, der sich an großen Filmen von Steven Soderbergh (Contagion), Steven Spielberg (Lincoln) und J.C. Chandor (A Most Violent Year) beteiligte. Die Firma pflegte enge Beziehungen zu Errol Morris (The Unknown Known), Laura Poitras (zuletzt All The Beauty and the Bloodshed) und Tom McCarthy, mit dessen »Spotlight« sie ihren ersten Best-Picture-Oscar gewann. Der zweite, für »Green Book« war weniger verdient, allerdings dürfte dies die profitabelste Produktion in der Firmengeschichte gewesen sein. Mit »No!« des Chilenen Pablo Larrain co-finanzierte Participant 2012 ihren ersten ausländischen Film. »Roma« von Alfonso Caron feierte sie 2018 einen besonderen Triumph, da Skolls Mitstreiter im Zuge der Dreharbeiten eine Kooperation mit mexikanischen Gewerkschaften einging, um dortige Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung zu reformieren.
Um Weltverbesserungskino macht unsereins gern einen skeptischen Bogen, aber Skoll & Co nahmen dieses Mandat wirklich ernst. Sie arbeiteten mit Umweltschutz- und Bürgerrechtsorganisationen zusammen. Dabei kamen mitunter nur altbackene Oscar-Köder wie »The Help« oder eben »Green Book« heraus, aber auch bemerkenswerte wie »Judas and the Black Messiah«. Die Firma schärfte ihr thematisches wie künstlerisches Profil unablässig. Sie steht für ein Kino der Aufklärung, des zivilgesellschaftlichen Engagements. Bei manchen Themen ließ sie nicht locker. So entstand neben dem herrlichen Dokumentarfilm „RBG“ auch ein Spielfilm (On the Basis of Sex / Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit war nicht ganz so prächtig) über die uneretzliche Oberste Bundesrichterin Ruther Bader Ginsburg. Auch den Prozess um den Holocaustleugner David Irving verhandelte sie in beiden Disziplinen (Denial / Leugnung bot nebenbei auch großes Schauspielkino mit Rachel Weisz, Tom Wilkinson und Timothy Spall).
Einige Filme haben tatsächlich etwas bewegt. »Spotlight« warf ein Schlaglicht auf den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche und öffnete viele Augen. Oft wirkten die Filme an der Aufklärung von ökologischen Skandalen mit. »Promised Land« hätten sich Habeck & Co ruhig noch einmal ansehen sollen, bevor sie Fracking stillschweigend in Kauf nahmen, um die hiesige Gasversorgung zu sichern. Nach »Dark Waters« verging die Lust, sich teflonbeschichtete Pfannen zu kaufen. Das soll nun alles Geschichte sein? Skoll schrieb in seinem Memo, er würde sich nun anderen philanthropischen Aufgaben widmen.
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