Der Teufel möglicherweise

»Rosemaries Baby« (1968)

Zu den Filmberufen, die am meisten überschätzt werden, gehört der des Regisseurs. Gewiss, es geht nicht ohne ihn. Aber meist übertreiben wir maßlos, wenn wir ihm, aus Denkfaulheit oder Mangel an Phantasie, die alleinige künstlerische Urheberschaft zuschreiben. Er ist eine nützliche Briefkastenadresse, die es uns erspart, genauer nachzuforschen, was denn wohl der Beitrag der Drehbuchautoren, Kameraleute, Cutter sowie der Szenen- und Kostümbildner am fertigen Film ist.

Als ein sehr guter und ehrgeiziger Drehbuchautor einmal Louis B. Mayer bat, ihn endlich Regie führen zu lassen, entgegnete der Studiochef: "Warum willst Du das denn? Ein Regisseur ist doch nicht mehr als ein Verkehrspolizist!" Das mochte für MGM sogar stimmen, das während seiner Ägide ein eminent produzentengetriebenes Studio war. Indes gab er dem Autor (es handelt sich um Richard Brooks) dann doch die Chance zu seinem Regiedebüt, was der Startschuss einer prächtigen Karriere wurde. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass man sich in Hollywood bis heute an diese goldenen Worte eines der Gründerväter erinnert.

Paramount, früher einer der ärgsten Konkurrenten der nun längst maroden MGM, scheint sie jedenfalls zu befolgen. Zum 50. Jubiläum das Starts von »Rosemary's Baby« bringt das Studio ihn neu heraus und bewirbt ihn als die Geburtsstunde des modernen Horrorfilms. Wie heute auf "Indiewire" zu lesen war, vermeidet es die Marketingabteilung ausdrücklich, in der Werbung Roman Polanski zu erwähnen. Man muss nicht lange rätseln, was der Grund dieser Namenstilgung ist. Aber auch in der #MeToo-Ära darf man sich über eine solche Reinwaschung ärgern, die nicht nur geschichtsvergessen, sondern auch undankbar ist. »Rosemary's Baby« war einer von zwei, drei Filmen, die Paramount damals vor dem Ruin retteten. Gut, daran hatte nicht nur der polnische Regisseur Anteil, sondern vor allem der smarte Mogul Robert Evans.

Aber ohne Polanksi wären Erfolg und Einfluss des Films nicht denkbar. Ohne ihn hätte die Verfilmung des mittelprächtigen, wenngleich effektvollen Romans von Ira Levin nicht funktioniert. Sie trägt unverkennbar seine Handschrift (im Gegensatz etwa zu »Chinatown«, dessen Qualitäten sich wesentlich dem Drehbuch Robert Townes verdanken), ist durchtränkt von seinen Obsessionen und seiner Gabe, Konflikte auf engem Raum zu verdichten. Ich bin sicher, das Publikum identifiziert »Rosemary's Baby« auch heute noch zuerst mit seinem Namen und erst in zweiter Linie mit Mia Farrow und John Cassavetes. Die Academy mag Polanski ja ruhig zur Persona non grata erklären und aus ihren Reihen ausschließen (dafür aber im Gegenzug seiner Frau die Mitgliedschaft anbieten, ein denkwürdiges Zeugnis der Doppelmoral). Dass seine künstlerische Leistung nun jedoch totgeschwiegen werden soll, ist schlicht infam.

Louis B. Mayer hätte derlei Mechanismen wohl verstanden. Obwohl er berüchtigt war für seinen Hang zu Sentimentalität und sexueller Belästigung, blieb seine Position unantastbar. Polanskis hingegen war in Hollywood stets heikel, man erinnere sich nur an den Argwohn, der aus dem Beinamen "the five-foot Pole" sprach. Es wird interessant zu sehen, welche Haltung Mia Farrow zur Publicity der Wiederaufführung einnehmen wird, die momentan ja auf der Siegerseite der Empörungsdebatte steht, aber möglicherweise doch eine zweifelhafte Rolle bei der Schmähung Woody Allens spielt.

Die Dreharbeiten mit Polanski müssen für die jedenfalls einen Heidenspaß gewesen sein. Das ist auf den Fotos deutlich zu sehen, die Bob Willoughby auf dem Set gemacht hat. "Roman und sie waren wie zwei ausgelassene Kinder", berichtete mir Willoughby, als ich ihn für ein Fernsehporträt interviewte. Er war fasziniert von Polanskis Energie, die das ganze Team ansteckte und zu Höchstleistungen anspornte. So etwas hatte er in seinen 20 Jahren als Hollywood-Standfotograf noch mit keinem Regisseur erlebt. Willoughbys eindrucksvolle Set-Fotos, die Anfang der 90er schon einmal in einer schönen Ausgabe bei Nieswand erschienen, sind gerade neu in Buchform aufgelegt worden. Das war vor einigen Tagen aus einem Artikel von Marcus Weingärtner zu erfahren war, der eine interessante Deutung des Films liefert: Den wahren Schrecken erzeugt für ihn nicht der Teufel, den Rosemarys Nachbarn anbeten, sondern die Großstadt.

 

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#Roman Polanski: die Rlömer nannten es "damnatio memoriae"

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