Laufkundschaft
Sie waren, um mit Robert Capa zu sprechen, nah genug dran. Erstaunlich, was für Bilder sie am Roten Teppich und im Gedränge der Autogrammjäger erbeutet haben. Das Getümmel hat sie nicht abgeschreckt, sondern ihre Durchsetzungsfähigkeit und Geistesgegenwart herausgefordert. „Close up“ heißt dann auch die Schau, in der 13 junge Fotojournalisten ihre Eindrücke von der diesjährigen Berlinale festgehalten haben. Sie ist das Ergebnis eines Nachwuchswettbewerbs, für den sich jeder von ihnen ein eigenes Thema gestellt hat; was ihre Schaulust gewiss ebenso eingeengt wie konzentriert hat.
Die Bilder sind entstanden in einer Zwischenzeit und füllen zugleich eine solche. Seit die Galerie „C/O“ ihr Domizil im Postfuhramt an der Berliner Oranienburger Straße aufgeben musste und bevor sie ihren Umzug ins Amerika Haus am Bahnhof Zoo endgültig vollziehen kann, macht sie aus der Not eine Tugend: Nun veranstaltet sie kleine Ausstellungen auf den Kieselbeeten vor der eingekleideten Fassade der neuen Heimstatt. So lässt sie Passanten, die es nicht allzu eilig haben, zu Museumsbesuchern werden. Obwohl die Schau schon seit dem Ende der Filmfestspiele zu sehen ist, fiel sie mir erst in der letzten Woche auf. Sie läuft noch bis zum 26. Mai (http://www.co-berlin.org/de/exhibitions.html).
Ich fand sie interessant genug, um an diesem Wochenende wiederzukehren. Die Fotografen bewegen sich innerhalb der vertrauten Genres der Festivalfotografie und die Trennschärfe zwischen Professionalität und Nachwuchs verschwimmt mitunter. Selbstverständlich steht der Aufmarsch für die abendlichen Galavorführungen im Zentrum. Da findet für viele von ihnen „Der eigentliche Film“ (so heißt die Serie von Jasmin Scherer) statt. Sie sind fasziniert vom Glamour. Man glaubt, das Rauschen der eleganten Abendroben hören zu können. Xiomara Bender, der ersten Siegerin des Wettbewerbs, ist eine wunderbare Schwarzweißstudie von Bill Murrays vergnügtem Profil gelungen. Uma Thurmans Gesicht leuchtet.auf. George Clooney hat sich für die Premiere von „Monuments Men“ nicht frisch rasiert. Auf einem der schönsten Fotos von Susanne Erler (der zweiten Siegerin) bietet sich Tilda Swinton mit fast zärtlichem Gleichmut dem Licht der Scheinwerfer dar. Der dritte Preisträger hingegen, Simon Becker, gibt sich als Ironiker zu erkennen. Hoffentlich ist Martin Parr nicht sein einziges Vorbild.
Denn der Auftrag der 13 Fotografen ist noch ein anderer als die aktuelle, atemlose Berichterstattung. In einer Tageszeitung würde man schwerlich ein Bild wie jenes, auf dem Forest Whitaker ebenso grimmig wie seine Leibwächter wirkt, als er Autogramme geben muss. Nicht immer müssen die Berühmtheiten zu erkennen sein. Der fotografische Blick darf abschweifen, kann sich auf ein Detail richten, das nebensächlich anmutet, ihm aber bezeichnend erscheint. Auf den Fotos ist frische Begeisterung zu spüren, aber auch Skepsis gegenüber dem Spektakel. „Abakadra“ heißt Xiomara Benders Serie. Magie und Flüchtigkeit. Natürlich interessieren sich die Fotojournalisten für die Rückseite der Kulisse. Sie fangen die Melancholie von Orten ein, an denen sich das Schauspiel zugetragen hat oder es erst noch wird. Ihr Blick fällt auch auf die Statisten der Aufführung. Der Zyklus von Christin Raubuch ist der Leere und Erschöpfung gewidmet, die einsetzt, wenn das Blitzlichtgewitter vorüber ist. „Endlich heim“ hat sie ihn genannt. Im nächsten Jahr beginnt der Trubel von Neuem.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns