Generationenvertrag
Mein Eintrag vom 23.8., »Ein Beitrag zur Verrentungsdebatte«, bedarf diverser Nachträge. Sie sind ausnahmslos erfreulich.
Zunächst einmal versäumte ich, ein heroisches Gegenspiel zu den Vorruheständlern zu nennen, über die ich vor einer Woche schrieb. Jean-Paul Rappeneau, den Sie wahrscheinlich vor allem als Regisseur von Cyrano de Bergerac kennen, dreht nach elfjähriger Pause einen neuen Film. Sein Vorgänger Bon Yoyage ist hier zu Lande leider fast unbekannt (ich glaube, er war nur einmal auf arte zu sehen). Die Komödie vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung (u.a. mit Isabelle Adjani und Virginie Ledoyen) ist einer der temporeichsten Filme, die ich kenne - was keine Frage der schnellen Schnitte ist, sondern sich einem ungeheuer geistesgegenwärtigen Drehbuch verdankt. Mithin sind meine Erwartungen hoch an Rappeneaus neues Projekt. Belles familles ist erst sein achter Film in gut 50 Jahren und handelt von einem Mann, der nach zehn Jahren aus Shanghai nach Frankreich zurückkehrt, um das Familiengeschäft zu retten. Die Besetzung der Hauptrollen ist schon mal ein Glücksversprechen: Mathieu Amalric, André Dussollier, Nicole Garcia, Karin Viard und Marine Vacth, die zweifache Titelheldin aus Ozons Jung und schön. Co-Autor des Drehbuchs ist der immens talentierte Philippe Le Guay (Molière auf dem Fahrrad); in anderen Meldungen war auch von Jacques Fieschi die Rede, dem exzellenten Szenaristen u.a. der letzten Filme von Claude Sautet, der sich auch mit Drehbüchern für Nicole Garcia und Benoit Jacquot große Meriten erwarb. Rappeneau ist mittlerweile 82 Jahre alt und hat, wie ich aus einer flüchtigen Begegnung vor drei Jahren schließe, nichts von seinem Elan verloren.
Im britischen "Guardian" war in dieser Woche überdies zu lesen, dass die Schauspielerin Ellen Burstyn im Alter von 80 Jahren ihr Debüt als Spielfilmregisseurin geben will. Es soll Bathing Flo heißen und handelt von einer jungen Frau, die sich als house sitter um die Mutter des Vermieters kümmern soll, die Burstyn selbst spielen will. Ich glaube, es gibt keinen Film, in dem ich Burstyn nicht mochte. Sie ist eine der zentralen Figuren des New Hollywood, erhielt einen Oscar für Alice lebt hier nicht mehr, war großartig in Der Exorzist und bezaubernd in Robert Mulligans Nächstes Jahr, selbe Zeit. In den letzten Jahren hatte sie bemerkenswerte Auftritte bei Darren Arnofsky und James Gray. Lange Jahre leitete sie das Actors' Studio in New York. Der französische Filmkritiker Michel Ciment erzählte einmal eine Geschichte, nach der ich unverbrüchliche Hochachtung für sie empfinde: Als Alain Resnais ihr die weibliche Hauptrolle in Providence anbot, winkte ihr Agent ab: Ein europäischer Kunstfilm sei nichts für einen Hollywoodstar wie sie. Als sie von dem Faux pas ihres Agenten hörte, war sie empört und versicherte Resnais, sie würde es als eine Ehre betrachten, jede noch so kleine Rolle in einem seiner Filme zu spielen.
Der letzte Nachtrag betrifft Béla Tarr, über dessen Abkehr von der Filmregie ich vor einer Woche ausführlich schrieb. In der heutigen (30. 8.) "taz" ist ein exzellentes, aufschlussreiches Interview erschienen, dass Claudia Lenssen mit ihm auf dem Filmfestival von Sarajevo führte. Sie befragt ihn zugleich als Präsidenten der Jury und als Leiter der dortigen Filmakademie. In seinen Antworten ist keine Verzagtheit zu spüren, vielmehr übt er beide Funktionen mit große Neugierde aus.
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