Die Grenzen der Autorität

Wer mit dem bundesdeutschen Fernsehen der 70er Jahre aufwuchs, blickte oft auf ein Vexierbild, in dem unterschiedliche Epochen changierten. Man konnte zuschauen, wie einige Schauspieler, deren Filme aus den 60ern und früher ständig liefen, in eine neue Rolle als Moderatoren oder Entertainer hineinwuchsen: Joachim Fuchsberger, Hellmut Lange oder auch Dietmar Schönherr. So war mein Blick auf Fuchsberger immer zwiegespalten. Einerseits verfolgte ich, wie er der TV-Unterhaltung ein zusehends staatsmännisches Flair verlieh. Zugleich freute ich mich auf seine jungen Auftritte in den Edgar-Wallace-Filmen. Beide Karrierephasen verband, dass er eine Aura von Zuverlässigkeit und auch Autorität ausstrahlte. Das Requisit der Pfeife hat er, wenn ich mich recht erinnere, aus der einen in die andere hinübergerettet. Sie gab ihm schon damals einen Hauch von Reife und Besonnenheit; noch bevor seine Schläfen anmutig graumeliert waren.

Es traf sich, dass an seinem Todestag einige der Wallace-Filme im Privatfernsehen liefen. Ich hätte sie mir wahrsacheinlich ohnehin angesehen, zur Entspannung und aus einem resignierten Wohlwollen heraus (wann sonst bekommt man heute noch Schwarzweißfilme zu sehen?). Es war schön, Joachim Fuchsberger wiederzusehen. Von „Der Frosch mit der Maske“ an machte er einen frischeren, lockeren Heldentyp im Nachkriegskino heimisch. Diese Mischung aus Tatkraft und Ungezwungenheit war sichtlich einem Bodensatz an Biederkeit abgetrotzt. Seinem Leichtsinn haftete eine untilgbare Strenge und Aufrichtigkeit an. Er war sportlich auf adrette Weise. Und da er nicht ganz so hochgewachsen war wie die Heroen des US-Kinos, konnte das heimische Publikum denken: Er ist einer von uns.

Es half allerdings, dass diese Helden vorgeblich britisch waren. Seinen Einstieg hatte er noch als Hobbydetektiv, der unter der Protektion seines Onkels agierte, der Chef von Scotland Yard war. Seine Figur brauchte auf längere Sicht jedoch eine staatliche Legitimation. Allerdings führte sie auch vor, dass die Erfüllung des Dienstes nun auch sexy sein konnte. Aus heutiger Sicht müssten seine Figuren eigentlich schwer erträglich sein. Ihr Umgang mit Frauen war gönnerhaft, ihre Ironie eher süffisant als tiefgründig. Aber es fällt nicht ganz leicht, sie unsympathisch zu finden. Ihre Überlegenheit war nicht nur Anmaßung. Ich glaube, hier kommt Fuchsbergers Talent ins Spiel. Sein Charme war keck, wo der seiner Gegenspieler ölig wirkte. An seinem grundsätzlichen Anstand herrschte kein Zweifel. Verbrechen empörte ihn. Und Karin Dor hat er noch immer aus den Fängen des Bösen gerettet. Daran lässt sich nicht rütteln: Er war der beste unter den Wallace-Inspektoren. Heinz Drache kehrte zu sehr den Snob heraus, gab sich zu vornehm und geziert (auch das eine deutsche Projektion dessen, was britisch sein könnte). Kein Nachfolger, weder Klausjürgen Wussow noch Günther Stoll, konnte ihm das Wasser reichen.

Er war nie ein Anwärter auf den Posten des deutschsprachigen Weltstars – ein ohnehin höchst fiktiver Status: Machte je ein Hollywoodfilm nennenswert mehr Kasse, weil Horst Buchholz, Hardy Krüger oder Maximilian Schell mitspielten? Aber die Internationalität hat Fuchsberger nicht vollends verfehlt. Es ist nicht auszuschließen, dass er eine europäische Größe war. Die Wallace-Filme entstanden zunächst als Co-Produktionen mit Dänemark. Als der Serie Ende der 60er allmählich die Luft ausging, wurde sie in Italien durch die Fusion mit dem giallo kurzzeitig am Leben gehalten (auch glaube, da spielte er auch mal eine zwielichtige Figur). Die Serie scheint in Italien schon davor populär gewesen zu sein. Immerhin haben er und Karin Dor Auftritte in einigen Krimis und der sublimen Tragikomödie „Ich habe sie gut gekannt“ von Antonio Pietrangeli.

Das ist, abgesehen von einer Jugendvorstellung von „Der letzte Mohikaner“, überhaupt der einzige Film mit ihm, den ich je im Kino gesehen habe. Er war ein Fernsehphänomen. Ich nehme an, erst da bekam er seinen Kosenamen Blacky. „Er hat uns immer im Bann gehalten, egal was er machte“, sagte mir eben am Telefon mein Vater, der ihn allerdings immer ein wenig zu eitel fand. Tatsächlich hat Fuchsberger es schwer verkraftet, als Kritik und Publikum später seiner Samstagabendshow „Auf los geht’s los“ überdrüssig wurden und siedelte zeitweilig nach Australien um. Das war wohl Exil und Abenteuer zugleich.

In „Heut' abend“ entwickelte er eine Gesprächskultur der respektvollen Wissbegier, die nun aus dem Fernsehen weitestgehend verschwunden ist. Auf eigenem Terrain gewann er an Weltläufigkeit. Wenn er in „Auf los geht’s los“ Weltstars begrüßte, dann wirkte das mitunter unterwürfig, aber selten peinlich. Sein Angebot an Sean Connery. „Just call me Blacky Fachsbörger“ , ist mir in unauslöschlicher Erinnerung. Als Thomas Gottschalk prahlte, demnächst seinen ersten Film in Hollywood zu drehen, entfuhr ihm ein verräterisch heftiges „Öha“. Wer weiß, ob ihn das nicht an eigene verpasste Chancen erinnerte. Einmal kam Christopher Lee zu Besuch und Fuchsberger erinnerte daran, dass sie sich aus einem Fu-Man-Chu-Film kannten. Auf Augenhöhe mit Lee kam er dabei nicht. Dazu war er wohl ein zu guter Gastgeber.

 

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