Paramount+: »The Woman in the Wall«
© BBC/Motive Pictures/Colin Barr
Zur dunklen Geschichte der irischen Magdalenenheime gibt es bereits einige Filme, man denke an Peter Mullans mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnetes Drama »Die unbarmherzigen Schwestern«. Nun widmet sich mit »The Woman in the Wall« auch eine Serie diesen bis in die 1990er Jahre hinein operierenden Einrichtungen, in denen unter kirchlicher Aufsicht mehr als 30 000 ledige Mütter, Prostituierte und andere Frauen ihre Kinder meist zur Adoption freigeben und als Wäscherinnen arbeiten mussten.
Lorna Brady (Ruth Wilson) dürfte als Teenager in den 80ern zur letzten Generation gehört haben, die als Schwangere im verschlafenen (und fiktiven) Kilkinure in eines dieser Heime gesteckt wurde. Rund 20 Jahre später weiß sie noch immer nicht, was aus ihrer Tochter wurde, die ihr damals nach der Geburt von den Nonnen weggenommen wurde – und das aus diesen Erfahrungen resultierende Trauma hinterlässt Spuren. Nicht nur ist sie kontaktscheu, depressiv und wird immer wieder von schrecklichen Erinnerungen heimgesucht, sie neigt auch zu unberechenbaren aggressiven Schüben, während sie schlafwandelt. Als sie eines Morgens in der eigenen Wohnung die Leiche einer Frau findet, fürchtet sie deswegen Schlimmstes.
Gleichzeitig trifft der junge Detective Colman Akande (Daryl McCormack) aus Dublin in Kilkinure ein. Er untersucht den Mord an einem katholischen Priester, die Spur führt zu jenem Heim, in das Lorna einst gezwungen wurde. Dass beide Fälle in mehr als einer Weise zusammenhängen, ahnt dabei in »The Woman in the Wall« nicht nur das Publikum bald. Und Akande muss erkennen, dass seine eigene Geschichte als Heim- und Adoptivkind verwoben zu sein scheint mit einem der düstersten Kapitel der Geschichte Irlands.
So wie die Serie die Geschichten dieser beiden miteinander kombiniert, setzt sie sich auch stilistisch aus verschiedenen Genre-Elementen zusammen. Während Akandes Ermittlung zunächst klassischen Krimikonventionen entspricht, ist Lornas Handlungsstrang bisweilen astreiner Psychohorror, bei dem man fast darauf wartet, dass er womöglich noch ins Übersinnliche kippt. Nach der Hälfte der sechs Episoden scheint sich das Verhältnis dann beinahe umzukehren, bevor in »The Woman in the Wall« schließlich doch das historisch bedingte Drama überwiegt.
In Irland waren zur Ausstrahlung auch kritische Stimmen zu hören, die beklagten, dass Autor Joe Murtagh der tragischen Realität nicht gerecht würde. Von Verharmlosung oder reißerischer Skandalisierung kann allerdings keine Rede sein. Was auch an den beiden Hauptdarsteller*innen liegt: McCormack untermauert seinen Ruf als Irlands neuster Shootingstar, und Wilson beweist einmal mehr, dass sie längst viel bekannter sein müsste. Am Ende von »The Woman in the Wall« erklingt ein zuvor unveröffentlichter Song von Sinéad O'Connor, die selbst zu den Magdalenenheim-Opfern gehörte, und nicht nur deswegen hallt die von dieser Geschichte ausgelöste Erschütterung noch lange nach.
OV-Trailer
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