Netflix: »Joy«

englisch © Netflix

2024
Original-Titel: 
Joy
Heimkinostart: 
22.11.2024
L: 
115 Min
FSK: 
Ohne Angabe
Retorte-Glück

Im Jahr 1968 bewirbt sich eine junge Krankenschwester bei einem Labor in Cambridge als Assistentin. Erst allmählich erkennt Jean Purdy, an welch bahnbrechendem Projekt der nerdige Physiologe Dr. Bob Edwards bastelt. Er will mittels gespendeten Spermien und Eizellen einen Embryo im Reagenzglas zeugen. Ergänzt wird das Duo bald von dem ebenso besessenen Gynäkologen Patrick Steptoe, der, ein Spezialist auf dem Gebiet der Laparoskopie (Bauchspiegelung), sich mit Eizellenentnahme auskennt. In einem schäbigen Labor in Oldham bei Manchester beginnt eine aufreibende, von Anfeindungen, Geldnot und Rückschlägen gesäumte Zusammenarbeit, die zehn Jahre später mit der Geburt des »Retortenbabys« Louise Joy Brown auch ihr filmisches Happy End feiert.

Dieser Spielfilm ist einerseits eine Hommage an jene drei Pioniere, die sich um die Entwicklung der In-vitro-Fertilisation, vulgo künstliche Befruchtung, verdient gemacht haben. Wo die Inszenierung ästhetisch, sieht man von spärlichem, mit Popmusik untermaltem Zeitkolorit ab, wenig hermacht, ist er in seiner weit ausholenden Betrachtung des Themas dennoch gerade für Laien unterhaltsam. Dies verdankt sich vor allem der Erzählperspektive von Jean Purdy, die, bereits 1985 verstorben, hier eine verdiente Würdigung erfährt. Als Embryologin und Laborleiterin kümmert sie sich handfest um jene Frauen mit Kinderwunsch, die sich in Oldham der quälenden Prozedur der künstlichen Befruchtung unterziehen. Mit der Gründung eines »Ovum Clubs« versuchen die Frauen, die sich durchaus auch als Versuchskaninchen fühlen, gegenseitig beizustehen. Wo Steptoe und Edwards (der 2010 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde) als begeisterte Technokraten nur Eizellen zu sehen scheinen, verschafft Jean der Handlung die nötige Erdung, indem sie die Verbindung zu den eigentlich Betroffenen herstellt.

Während die beiden Forscher, als »Dr. Frankenstein« verunglimpft, ihre Arbeit in öffentlichen Debatten verteidigen – wobei unangestrengt eine Vielzahl ethischer Argumente zu Wort kommen –, zahlt Jean persönlich einen noch höheren Preis. Ihre streng religiöse Mutter, die ihre Tochter ohnehin lieber als Mutter und Hausfrau sehen würde, bricht schließlich den Kontakt zur »Sünderin« ab. Sachte wird außerdem enthüllt, wie sehr Jean selbst, eingeschworener Single, unter ihrer Kinderlosigkeit leidet.

120 Millionen Babys, so erfährt man im Nachspann, sind seither per IVF auf die Welt gekommen. Wo damals die Angst umging, die Büchse der Pandora geöffnet zu haben, wird im Film zu Recht der Fokus auf Frauen gerichtet, die an ihrem unerfüllten Kinderwunsch verzweifeln. Wie nebenbei tut sich in dieser Schilderung, vielleicht unabsichtlich, ein weiteres Feld auf: jene immer noch weitgehend unerforschten »Frauenleiden« wie Endometriose, die mindestens zur Hälfte für Unfruchtbarkeit verantwortlich sind.

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