Netflix: »The Crown« Staffel 6
© Justin Downing/Daniel Escale/Keith Bernstein/Netflix
Kritik daran, dass die Serie »The Crown« die britischen Royals zu schmeichelhaft zeigt, gab es von Anfang an. Im November 2016 war es zunächst die Schauspielerin Claire Foy, die einfühlsam mit den Unsicherheiten einer jungen Königin vertraut machte. Aber dazu gab es prägnant inszenierte Momente britischer Geschichte, die überraschende Schlaglichter warfen. Ja, man hatte viel Mitgefühl mit Elisabeth II., die sich gegenüber Churchill zu ungebildet vorkam, oder mit Prinzessin Margaret, die ihre große Liebe nicht heiraten durfte. Aber zugleich vermittelte »The Crown«, was es mit dem Londoner »Smog« auf sich hatte und welchen nationalen Schock ein Unglück im Waliser Bergbau auslöste. Jede Folge lohnte den Faktencheck auf historische Richtigkeit, weil man tatsächlich etwas vermittelt bekam, das über royalen Herzschmerz hinausging.
Auf Claire Foy folgte in Staffel 3 und 4 dann Olivia Coleman, die mit Tobias Menzies als Prinz Philip an ihrer Seite ein eher kantiges Porträt der Königin gab, die zunehmend ihre eigene Bedeutung infrage gestellt sah. Was gut als Zeitgeist-Porträt funktionierte, waren die 60er und 70er Jahre doch eine Ära, in der die britische Popkultur den Royals die Show stahl. Seit im letzten Jahr Imelda Staunton – jetzt mit Jonathan Pryce als Philip – übernahm, ist der Ton der Serie wieder mitfühlender mit den Protagonisten des Königshaus geworden. Mit Dominic West als Prinz Charles und Elizabeth Debicki als Diana waren außerdem zwei Darsteller hinzugekommen, die ihre Figuren auf je eigene Weise geradezu idealisierten: West strahlt mehr Charme aus als viele dem Original zutrauen, und Debicki dichtet Diana ein attraktivkühles Selbstbewusstsein an, um das die reale Figur sie sehr beneidet hätte.
Die finale sechste Staffel setzt ein mit dem Ereignis, mit dessen Nachwirkung sich Autor und Showrunner Peter Morgan schon in »The Queen« von 2006 ausführlich beschäftigte: Prinzessin Dianas Unfalltod. Der Film funktionierte seinerzeit als scharfsinnige Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit von Formalien in Politik und Repräsentation. Die Serie aber steigt mit voller narrativer Kraft ein in die Spekulationen darüber, wie Diana ihre letzten Wochen verbracht hat. Hat sie Dodi geliebt? Wollten die beiden heiraten? Fühlte sie sich einsam? Das alles wird detailreich, mit viel Gefühl und zu wenig Raum für Ambivalenzen nacherzählt.
Trotz der tollen 90er-Jahre-Ausstattung – Telefone mit Antennen! – und all den exzellenten Schauspielern wirken zumindest die ersten vier Folgen klebrig nah an den Erzählungen der Klatschpresse, zu denen die Serie doch ein distanziertes Gegennarrativ präsentieren will. Nach vier Folgen hat man gründlich genug vom Diana-Drama und hofft, »The Crown« möge wieder mehr andere Zeitereignisse aufgreifen. Wie etwa in der Szene, in der die erste »königliche Webseite« präsentiert wird, samt langgezogenem Modem-Einwahlton. »The Crown« als eine Geschichte der Royals und der Medien war schon immer die spannendste Seite der Serie.
OV-Trailer
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