Netflix: »The Crown« Staffel 5
»The Crown« (Staffel 5, 2022). © Keith Bernstein / Netflix
Zuletzt also schaltete sich keine geringere als Dame Judi Dench ein und forderte in einem Brief an die »Times«, Netflix solle der Serie »The Crown« gefälligst einen Disclaimer anhängen, der darauf hinweise, dass es sich um »fiktionalisiertes Drama« handele. Ob Dench die fünfte Staffel schon vorab gesichtet hat? Das darf bestritten werden. Denn im Unterschied zu den vorherigen Staffeln, die das Leben der Queen von den 40er Jahren bis in die 80er nachzeichneten, geht es in Staffel 5 um Ereignisse, die ein Großteil der zuschauenden Zeitgenossen noch selbst erlebt haben und vor allem um genau die, die ohnehin ausführlich in die Öffentlichkeit getragen wurden. Ein Abgleich mit der »Wirklichkeit« dürfte selbst denjenigen leichtfallen, die nie Klatschspalten gelesen haben.
Diese allgemeine Vertrautheit des Stoffs stellt »The Crown« vor ganz andere Aufgaben. Was bislang die große Stärke des Serienschöpfers Peter Morgan war, das elegante Verweben von Zeitgeschichte um eine Figur im Zentrum, die selbst gleichsam aus der Zeit fällt, funktioniert nicht mehr. Stattdessen geht es nun darum, dem im Übermaß Bekannten durch Reenactment neue Facetten abzugewinnen. Es kommt alles vor, das schwarze, schulterfreie Kleid, das die britische Presse »the revenge dress« taufte, das Foto von Fergie, die sich den Zeh lutschen lässt, Dianas Interview mit dem koketten Vorwurf »wir waren zu dritt in der Ehe«, die »Annus Horribilis«-Rede und auch noch Charles' Tampon-Zitat. Aber dann erscheint alles doch ein wenig anders, als man es in Erinnerung hat.
Zwei Figuren lässt Morgan überraschende Milde erfahren: John Major, verkörpert von Jonny Lee Miller, kommt als gerade in seiner Zurückhaltung großartiger, immer anständiger Staatsmann daher. Und für Prinz Charles, den heutigen König, bricht die Serie diesmal regelrecht eine Lanze. Nicht nur dass sein Ansinnen, mit einer »Transformation« der Monarchie noch vor dem Tod der Queen zu beginnen als nachvollziehbar gezeigt wird, die oftmals so schlechte, ungelenke Figur, die er in den Scheidungsquerelen mit Prinzessin Diana machte, erfährt regelrecht Wiedergutmachung: Nach all den Enthüllungen und Blamagen sitzt Dominic West als Charles vor Stipendiaten seiner Stiftung und wirkt so ehrlich und authentisch wie nie, wenn er mit Selbstironie bekennt, er wisse, wie es sich anfühlt, missverstanden und falsch eingeschätzt zu werden.
Trotzdem sind die zwei stärksten Folgen wohl die, die sich abwenden vom Buckingham-Palast und seinen Außenstellen. Die Folge »Mou Mou« widmet sich der Karriere von Dodi Al-Fayeds Vater Mohamed und erzählt im besten Sinne exzentrisch von der Peripherie des Königreichs und seinem kolonialistischen Erbe. Und in »Ipatiev House« kommt mit der Verwandtschaft zu den Romanovs ein unterbelichteter Aspekt des Familienerbes zur Geltung.
Das Ensemble, nun zum dritten Mal völlig neu besetzt, funktioniert besser denn je, man möchte keinen einzelnen hervorheben, so gut sind sie alle. Sie allein schon lassen die zehn Stunden wie im Flug vergehen.
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