DVD-Tipp: »Lars Eidinger – Sein oder nicht sein«
Am liebsten wäre es Lars Eidinger, wenn man diesen Film nicht anschauen würde, um ihm näherzukommen, sondern um sich selbst zu begegnen: Denn auf dem Theater und im Kino werden im besten Falle auch die universellen Probleme der menschlichen Existenz verhandelt, weshalb man über den anderen immer auch etwas über sich selbst erfährt.
Der deutsche Dokumentarfilmregisseur Reiner Holzemer hat sich auf Porträts internationaler Künstler spezialisiert, etwa die Fotografen William Eggleston, Juergen Teller und Anton Corbijn, die Filmregisseure David Lynch und Caroline Link, die Modeschöpfer Dries Van Noten und Martin Margiela. Jetzt hat er neun Monate lang den Schauspieler Lars Eidinger begleitet, nie zu Hause mit Frau und Kind, immer bei der Arbeit, in der Garderobe, auf der Bühne, in den Kulissen, bei den Wiederaufnahme-Proben in der Schaubühne und bei den »Jedermann«-Proben in Salzburg, seltsamerweise nicht bei der eigenen Berliner »Peer Gynt«-Inszenierung.
Statt eines klassischen Künstlerporträts bietet Holzemers Film einen schonungslos ehrlichen Blick in die Werkstatt des Schauspielers. Sein oder nicht Sein, das ist hier nicht nur die Frage des dänischen Königs Hamlet, sondern auch die des Schauspielers Lars Eidinger, der ihn an der Berliner Schaubühne verkörpert. Gehört und gesehen werden offenbaren sich dabei als Schlüsselbegriffe des Schauspielerberufs, wobei Lars Eidinger immer zugleich polternde Rampensau ist, die um Aufmerksamkeit buhlt, und feinnervig empfindsamer Schauspieler, der entwaffnend ungeschönt sein Innerstes offenbart: »Also, ich steh überhaupt über gar nichts drüber«, sagt Eidinger: »Ich möchte, dass mich alles im besten Fall trifft und bewegt und berührt. Ich glaub, man hat verloren, wenn man als Schauspieler drübersteht, oder als Künstler, oder wahrscheinlich sogar als Mensch.«
Lars Eidinger fasziniert und polarisiert, kokettiert mit einem gewissen Größenwahn, bezeichnet sich gern auch mal als Genie, entblößt sich aber auch – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, wagt er es, sich öffentlich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Lars Eidinger – Sein oder nicht Sein D 2022. R: Reiner Holzemer. Da: Lars Eidinger, Gustav-Peter Wöhler, Verena Altenberger. Anbieter: EuroVideo.
VÖ: 31. August 2023
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