»Ausgeblendet/Eingeblendet« im jüdischen Museum Frankfurt

Ein Ausschnitt zeigt Peter Lore in »Der Verlorene«

Ein Ausschnitt zeigt Peter Lore in »Der Verlorene«

Erinnern und verschweigen

Es ist nur ein unscheinbares Exponat, eine Reproduktion. Im Jahr 1951 erschien unter der Rubrik »Wer ist wer« in der Zeitschrift »Filmblätter« eine kurze Biografie des Filmproduzenten Artur Brauner. »Doch dann kam der Krieg und viele Jahre vergingen nutzlos«, wird Brauner in dem Ausriss zitiert. Dass Brauner als Jude dem Ghetto Lodz entkam und sich Jahre versteckt hielt, bevor er 1946 als Displaced Person nach Berlin kam, verschweigt der Text. Aber die beiden Verantwortlichen der Ausstellung, Lea Wohl von Haselberg und Johannes Prätorius-Rhein, stellen es in ihren Anmerkungen zum Text richtig. Dabei hatte Brauner schon mit dem autobiografisch inspirierten »Morituri« im Jahr 1948 einen der ersten Filme in den Westzonen vorgelegt, der sich mit dem Holocaust beschäftigt und die Odyssee einer Gruppe von Konzentrationslagerflüchtlingen durch die Wälder Osteuropas schildert.

Der Titel der Ausstellung »Ausgeblendet/Eingeblendet« erweist sich gerade bei diesem Exponat als besonders treffend. Dass die Film- (und Fernseh-)geschichte der Bundesrepublik von jüdischen Filmschaffenden geprägt war, darauf wirft die Ausstellung ein erhellendes Licht. Dass man das nicht unbedingt an jüdischen Themen im westdeutschen Nachkriegsfilm ablesen kann, ist offensichtlich. Auch Artur Brauner sah nach dem Misserfolg von »Morituri« an der Kasse erst mal zu, sich als erfolgreicher Produzent zu etablieren – mit den Filmen, die das damalige Publikum konsumieren wollte. Dennoch hat er bis zu seinem Tod »Filme gegen das Vergessen« produziert. Vor drei Jahrzehnten hat ihm das Deutsche Filmmuseum eine Ausstellung gewidmet, einige Exponate kommen aus seinem dort konservierten Nachlass.

Nicht so im Licht der Forschung standen bisher die beiden Produzenten der Hamburger Real-Film, Gyula Trebitsch und Walter Koppel, beides jüdische Konzentrationslagerüberlebende. Die Real-Film hatte auch ein durchaus kommerzielles Portfolio, hat aber mit der »Zürcher Verlobung« von Helmut Käutner die beste Komödie des Adenauer-Kinos hergestellt. Koppel gelang es 1948, dass bei der Premiere des ostzonalen »Ehe im Schatten« in Hamburg die anwesenden Veit Harlan und Kristina Söderbaum, die an dem antisemitischen Hetzfilm »Jud Süss« mitgewirkt hatten, aus dem Publikum entfernt wurden. Die Erinnerung an das »Dritte Reich«, an Antisemitismus und Holocaust stand damals nicht hoch im Kurs. Die sehenswerte Ausstellung, deren sieben Räume in zeitlicher Abfolge durch mit Leinwand bespannte Baugerüste unterteilt sind, erzählt die jüdische Filmgeschichte auch durch solche Geschichten und mosaikartig durch Biografien. Die von Remigranten etwa, die aus dem Exil wieder nach Deutschland zurückkehrten wie Erich Pommer, Lilli Palmer, Peter Lorre oder auch Elli Silman, die als Schauspielagentin arbeitete – ein Beruf, der sonst in der Filmgeschichtsschreibung nur selten vorkommt. Oder die von Fernsehschaffenden wie dem Schauspieler Towje Kleiner (Der ganz normale Wahnsinn) oder den Regisseuren Karl Fruchtmann und Imo Moszkowicz, der auf einem Todesmarsch befreit wurde und die Freiheiten des frühen Fernsehens nutzte. 1963 inszenierte er den »Stellvertreter« in Frankfurt, der nur unter großen Protesten aufgeführt werden konnte. Der frühen und auch späteren Geschichte des Fernsehens räumen Ausstellung und Katalog berechtigt großen Raum ein, war sie doch innovativer und politischer als das »Schnulzenkartell« des Kinos. 

Prominent platziert ist auch »Der Passagier – Welcome to Germany« von Thomas Brasch (1988), in dem ein US-amerikanischer Regisseur (Tony Curtis) einen Holocaustfilm in Deutschland dreht. Es ist schade, dass Ausstellung und Katalog mit der sogenannten Wiedervereinigung enden. Die Begründung, dass danach – auch bedingt durch den Zuzug von 220 000 Jüdinnen und Juden aus Osteuropa (in der alten Bundesrepublik lebten 30 000) – ein neues Kapitel mit einer neuen jüdischen Selbstverständlichkeit begann, ist nachvollziehbar. Aber Filme mit eindeutig jüdischer Thematik wie Dani Levys »Alles auf Zucker!«, einer der großen Überraschungserfolge der 2000er Jahre, bleiben da leider außen vor. Wer weiß, vielleicht gibt es einen zweiten Teil der Ausstellung.

 

Die Ausstellung läuft bis 14. Januar 2024. Der von Lea Wohl von Haselberg, Johannes Prätorius-Rhein, Erik Riedel und Mirjam Wenzel herausgegebene Katalog ist für 28 Euro bei Hanser erschienen.

Bestellmöglichkeit (Verlag)
 

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt