arte-Mediathek: »Polar Park«
»Polar Park« (Miniserie, 2022). © 2.4.7. MAX/Pascal Chantier
Die Handlung der Arte-Serie »Polar Park« rankt sich um ein Gerüst, das uns häufig begegnet, namentlich im romantischen Genre und im Krimigenre. Der Autor und Regisseur Gérald Hustache-Mathieu knöpft sich somit ein vertrautes Muster vor: Ein Kleinstadtspross, der es draußen in der Welt zu etwas gebracht hat, kehrt in die Heimat zurück. Dieses dürre Konzept wusste Hustache-Mathieu nun mit einer Fülle origineller Einfälle anzureichern. Nicht von jener krampfig-konstruierten Art, wie sie uns aus manchen Krimis skandinavischer Herkunft entgegenweht oder jüngst in der Amazon-Verfilmung von Sebastian Fitzeks Die Therapie vorgeführt wurde.
Hustache-Mathieu setzt, sich sogar selbst zitierend, die Hauptfigur seines Kinofilms »Who Killed Marilyn?« wieder ein, doch erst in diesem Sechsteiler kommt der zerknautschte Kriminalschriftsteller David Rousseau zu seinem Recht, weil das Format eine gründlichere Charakterentfaltung erlaubt. Gleich im Titel der Serie verbirgt sich ein Gag. »Polar Park« bezeichnet einen der Schauplätze, einen Naturpark, der nordische Tier- und Pflanzenwelt beherbergt, von Hustache-Mathieu aus dem Norden Norwegens verlegt in das französische Juradörfchen Mouthe. Mit Temperaturen bis minus 30 Grad, das hat er nicht erfunden, tatsächlich ist es der kälteste Ort Frankreichs.
Zugleich bezeichnet »Polar« in der französischen Alltagssprache einen Kriminalroman. Davon hat David Rousseau einen ganzen Stapel verfasst. Nach einer Reihe erfolgreicher Fließbandkrimis mit Titeln wie »Trappistinnen und Kokain« arbeitet Rousseau an einem anspruchsvolleren Werk. Zum Verdruss seiner Verlegerin, die von ihm den gewohnten Reißer verlangt. Der Mönch Giacomo ruft David heim nach Mouthe, um ihm ein Geheimnis aus dessen Familiengeschichte zu offenbaren. Doch als der Schriftsteller eintrifft, wird der Ordensbruder gerade ins Grab abgeseilt. Hinterlassen hat er nichts, niemand im Kloster kann David sagen, was Giacomo ihm mitzuteilen hatte.
David gibt sich dem Trübsinn hin, lebt aber auf, als im Ort eine Leiche entdeckt wird. Sein Verdacht, hier sei ein Serienmörder am Werk, bestätigt sich bald. Die Handschrift des Täters ist eindeutig: Immer richtet er seine Opfer in der Art eines Gemäldes her. David erkennt das Selbstbildnis van Goghs, Andy Warhols Porträt von Marilyn Monroe. Der Drehbuchautor Gérald Hustache-Mathieu zitiert hier aber nicht einfach beliebige Bilder, sondern setzt sie in Beziehung, ebenso weitere Details, Wendungen, vermeintliche Nebensachen. Mal geht es schlitzohrig über die Metaebene, mal grüßt Stephen King aus der Ferne – filmische Aperçus, locker eingestreut, nie überbetont, am Schluss passgenau zusammengeführt.
David trifft allerlei Menschen mit schrulligem Naturell. Es gibt eine singende Bibliothekarin nebst einem morbid veranlagten Kollegen, eine Krimis verschlingende Lehrerin, einen verklemmten Dorf-Gendarm, der sich allerdings fachlich mit jedem FBI-Agenten messen kann. Mehr zu verraten hieße, den Spaß zu verderben.
OV-Trailer
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