Apple TV+: »The Big Door Prize«
»The Big Door Prize« (Serie, 2023). © Apple TV+
Von außen sieht die Maschine aus wie einer jener Passbildautomaten, die dank Digitalfotografie heute kaum jemand mehr braucht. Der Morpho, wie die Maschine sich nennt, die einfach eines Tages in der Drogerie des fiktiven amerikanischen Provinzstädtchens Deerfield steht, funktioniert auch ganz ähnlich: Man muss sich hineinstellen und den Anleitungen auf einem Bildschirm folgen, ein paar Daten eingeben, und schwuppdiwupp spuckt der Kasten ein Kärtchen im Umschlag aus. Wenn man es herauszieht, erfährt man – Trommelwirbel! – das eigene »Lebenspotenzial«. Die Nachricht ist oft weniger eindeutig, als es sich manche wünschen. Mit Bezeichnungen wie »Tänzer«, »Gitarrist« oder auch »Kerzenmacher« lässt sich noch etwas anfangen. Aber was, wenn da etwas steht wie »Erzähler« oder »Superstar« oder auch »Kaugummi«?
Die neue Apple-Serie »The Big Door Prize« ist die Adaption eines Science-Fiction-Romans von M.O. Walsh aus dem Jahr 2021 und passt in Tonlage und Technikskepsis verdächtig gut zu anderen Apple-Serien wie »Severance« oder »Hello Tomorrow«: Teuer produziert, hervorragend besetzt und in der Prämisse so kompliziert, dass man mehr als eine Folge schauen muss, um wirklich reinzukommen.
Aber es lohnt sich. Im Zentrum des Geschehens steht Dusty (Chris O'Dowd), ein vierzigjähriger Lehrer und Familienvater, dessen morgendliche Grüßrunde durch die Kleinstadt belegt, dass er ein wohlgelittener Bürger ist. Verheiratet ist Dusty mit seiner Highschool-Liebe Cass (Gabrielle Dennis), mit der er eine Tochter im Teenageralter, Trina (Djouliet Amara), hat.
In der ersten Folge feiert Dusty seinen 40. Geburtstag, den er in so demonstrativer Hochstimmung begeht, dass die Gereiztheit darunter spürbar wird. Einerseits ergreift Dusty die typische »Mitte des Lebens«-Verunsicherung: Er ist zufrieden, er liebt seine Frau, ihre Tochter scheint auf dem besten Wege – aber: War es das jetzt? Und ist er tatsächlich so zufrieden, wie er glaubt?
Denn um ihn herum stellen alle durch das Auftauchen von Morpho ihr bisheriges Leben infrage. Vor der Drogerie bilden sich immer längere Schlangen von Menschen, die von der Maschine ihr Lebenspotenzial erfahren wollen. Die Menschen ziehen ihre Kärtchen und krempeln entsprechend ihr Leben um. Das geht keineswegs immer gut, und trotzdem kann sich der Wirkung der Kärtchen niemand entziehen. Manche wollen mit gutem Grund nicht verraten, was sie gezogen haben; manche fangen an zu lügen und kommen davon nicht mehr weg. Es werden Dynamiken angestoßen, deren Ausgang nicht mehr kontrollier- und absehbar ist.
Obwohl als Comedy ausgegeben, überzeugt »The Big Door Prize« vor allem als Drama. Was zuerst wie eine Anhäufung von Kleinstadtbewohner-Klischees daherkommt, erhält in jeder Folge mehr Tiefe und Ambivalenz. Figuren entwickeln sich, offenbaren überraschende Seiten und gehen neue Beziehungen ein. Zwischendurch vergisst man den Gimmick mit der Morpho-Maschine fast, so interessant ist das soziale Netz, das die Serie skizziert. Aber unterschätzen sollte man sie auch nicht.
OV-Trailer
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