Buch-Tipp: Thomas Koebner – Erinnerungen im Film
»Erinnerungen sind Tiefenschürfungen in einem instabilen Gedächtnis«, schreibt Thomas Koebner in seinen einleitenden Worten, sie werden »individuell komplettiert und retuschiert«: Wenn man über Erinnerungen spricht, geht es immer auch um ihre Subjektivität und Unzuverlässigkeit, am berühmtesten wohl in Akira Kurosawas »Rashomon« mit seinen unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Verbrechen.
Nach »Von Träumen im Film« von 2018 widmet sich Koebner jetzt in ähnlicher Weise einem weiteren flüchtigen Aspekt des filmischen Erzählens, den Erinnerungen. »Ein Versuch« lautet der Untertitel des Bandes, in dem eine subjektive Auswahl von 41 Filmen locker in 13 Kapitel wie »Das Gedächtnis der Dinge«, »Erinnerungen an das Lager«, »Liebe von Gestern« oder »Familien-Alben« sortiert sind, von denen manche nur einem Film gewidmet sind, andere mehrere bündeln. Besprochen und auf ihren Erinnerungsgehalt analysiert werden Klassiker der Filmgeschichte wie »Letztes Jahr in Marienbad«, »Rebecca«, »Wilde Erdbeeren« oder »Citizen Kane«, aber auch Entdeckungen wie »Das alte Gewehr« oder »Beautiful Kate« und aktuellere Werke wie »Regression« oder »Vom Ende einer Geschichte«. Wie immer erweist sich Koebner auch hier als leidenschaftlicher Erzähler, der den Leser auf eine Passage durch Filme und Erinnerungen mitnimmt, sie vor dem inneren Auge Revue passieren lässt und große Lust macht, sie wieder zu sehen oder zu entdecken. Beispielsweise »Eternal Sunshine of the Spotless Mind« von Michel Gondry, in dem sich zwei unglücklich Liebende einem Prozess unterziehen, der »Amnesie auf Bestellung« verspricht. Anregend sind insbesondere auch die ausführlichen Bildunterschriften, die es leider nicht zu allen Filmen gibt, hier ist es ein altes Holzhaus am Strand: »Gesetzt den Fall, es gäbe eine Methode, Erinnerungen absichtlich zu vernichten, dann ließe sich der Zerfall des Gedächtnisses in solchen Bildern veranschaulichen.« Generell ist die Erinnerung immer wieder ans Vergessen geknüpft. Gut könnte man sich vorstellen, dass die ausgelegten Fäden in einem weiteren Band weitergesponnen werden.
Thomas Koebner: Erinnerungen im Film. Ein Versuch. Schüren, Marburg 2022. 180 S., 20 €.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns