Buch-Tipp: Roger Fritz – Boulevard der Eitelkeiten
Als Roger Fritz im letzten Jahr verstarb, wurde seinem Ableben im deutschen Feuilleton und der Fachpresse kaum ein Wort gewidmet. Das ist schade, denn Fritz war ein echter Allrounder: Schauspieler, Filmemacher, Fotograf und besonders Bonvivant. Seine Regiearbeiten, darunter »Frankfurt Kaiserstraße« und »Mädchen mit Gewalt«, sind irrsinnige neue deutsche Filme und unterscheiden sich in der Machart doch deutlich von den Werken kanonisierter Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder, für den er immer wieder als Darsteller arbeitete. Dank kleiner Firmen wie Subkultur Entertainment sind viele seiner Filme mittlerweile auf DVD oder Blu-Ray veröffentlicht worden. Als Fotograf – unter die Fittiche genommen von Herbert List – lichtete Fritz Politiker und Prominente, Stars und Sternchen ab. Neben seinen Fotografien, häufig Momentaufnahmen, finden sich im von Schirmer/Mosel verlegten Buch jeweils persönliche Erinnerungen des Autors.
Erstaunlicherweise ist es gerade das Mosaikhafte, das sich zum Porträt einer Epoche verdichtet, der 1950er bis 2000er Jahre. Was müssen das für Zeiten gewesen sein, als Esther Vilar »Der dressierte Mann« schrieb, Helmut Berger von Luchino Visconti geliebt wurde und Barbara Valentin mit Freddie Mercury in München durch schwule Bars zog. Roger Fritz schreibt kurz und knapp, und weil er nicht eitel war, gelingen ihm prägnante Porträts so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Papst Johannes Paul II. und Dolly Dollar. Diese beiden und viele andere sehr unterschiedliche Menschen zwischen zwei Buchdeckel zu pressen, ohne dass sich der Leser auf den Arm genommen fühlt, ist zweifelsohne ein – letztes – Husarenstück des Tausendsassas Roger Fritz.
Roger Fritz: Boulevard der Eitelkeiten. Fotografien und Erinnerungen. 235 Porträtfotografien und 80 persönliche Erinnerungen von den 50er Jahren bis heute. München: Schirmer/Mosel, München 2022. 316 S., zahlreiche Illustrationen (überwiegend farbig), 34 €.
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