Buch-Tipp: Douglas Sirk und das ironisierte Melodram
Auf dem Cover räkelt sich auf schwarzem Grund und in den sinnlichen Falten eines roten Chiffonkleides Dorothy Malone, als unglückliche Öl-Erbin in »Written on the Wind« – eine Einladung in die verführerischen Abgründe von Sirks Werk. In der sinnlich ausgestatteten und so scharfsinnig wie lässig geschriebenen Monografie über Douglas Sirk fließen die in 50 Jahren gesammelten Erkenntnisse von Thomas Brandlmeier ein, der viele Texte über den deutsch-amerikanischen Regisseur verfasst hat und in den Siebzigerjahren mehrfach mit ihm sprechen konnte. Es ist nicht oft, dass ein Filmbuch in Deutschland so fundiert erkenntnisreich und zugleich unterhaltsam ist, und dann auch noch mit brillanten Fotoseiten ausgestattet, in denen wiederkehrende Motive wie Spiegel, Treppen, Fenster, Durchblicke, Naturtheater, Blindheit oder Masken visuell erschlossen werden.
Eine Ehrenrettung und Verteidigung des zunächst kritisch aufgenommenen Regisseurs sei heute nicht mehr nötig, stellt Brandlmeier fest und geht in seinem biografischen Band vor allem den ironischen Brechungen nach, die Sirks große Fünfzigerjahre-Melodramen wie »All I Desire«, »All that Heaven Allows«, »Written on the Wind«, »The Tarnished Angels« (Duell in den Wolken), »Imitation of Life« (Solange es Menschen gibt) prägen: »Man kann es gar nicht genug sagen, Ironie ist der eigentliche Clou in Sirks Werk«, schreibt er, »nur der Kitsch kann der falschen Hoffnung auf Rettung entsprechen.« Und: »Durch Formen der Ironie gelingt es ihm, das populäre Genre des Melodrams zu bedienen und gleichzeitig zu kommentieren.«
Von einer einleitenden biografischen Skizze führt der Weg über ein Theoriekapitel, in dem die Entwicklung des Melodrams in Literatur und Kino hergeleitet wird, zum Praxiskomplex mit einer Passage durch Motive und Themen. Danach beschreibt und analysiert Brandlmeier die Filme einzeln, angefangen von den frühen deutschen Werken über die amerikanischen Meistermelodramen bis zu den späten Kurzfilmen, die in den Siebzigerjahren im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit in Deutschland entstanden sind. Ergänzt wird das sehr empfehlenswerte Standardwerk durch Filmografie und Literaturhinweise.
Thomas Brandlmeier: Douglas Sirk und das ironisierte Melodram. edition text + kritik, München 2022. 222 S., 20 €.
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