Buch-Tipp: Christian Keßler – Hollywood Blackout
»Kommerziell gesehen sind die Filme so tot wie ein Hula-Hoop-Reifen«, urteilt Christian Keßler über den Gegenstand seines neuen Buches im Vorwort. Hat er da recht? Natürlich dürften die meisten Liebhaber des Film noir schon älter sein als diejenigen, die in den siebziger Jahren mit Splatterfilmen oder in den Achtzigern mit dem Output der Firma Cannon sozialisiert wurden. Während ich mit Filmen der Achtziger Probleme habe (speziell mit den Frisuren), empfinde ich die, die bis zum Ende der fünfziger Jahre entstanden, einfach als klassisch (aber vielleicht muss man dafür auch mit ihnen im Fernsehen aufgewachsen sein).
Es handelt sch um eine abgeschlossene Epoche der Filmgeschichte (trotz all jener als Neo-Noir etikettierter Filme, wie zuletzt »Reminiscence« oder »Nightmare Alley«), deren Entstehung, unter anderem durch die Einflüsse deutscher Emigranten, vielfach beschrieben wurde, während es bei Definitionen und Abgrenzungen Differenzen gibt. Keßler macht Film noir für sich fest an den Figuren, am »Bekenntnis zu Protagonisten, denen jegliche Heldenhaftigkeit in ihrer klassischen Ausprägung abgeht«, und an der »Manier, in der eine gänzlich neue Sicht auf die Menschen und das Leben vermittelt wird«. Das akzeptiere ich gern, auch weil er zu begründen weiß, warum bestimmte marginale Filme dennoch auftauchen, und sich generell zu seiner Subjektivität bekennt. Er schwärmt von »ausgefallenen Geheimtipps«, weiß aber »auch die Vorzüge filmhistorisch gebenedeiter Brillanz« zu schätzen.
Rund 275 Filme sind es, entstanden zwischen 1941 und 1961, chronologisch nach Premierendatum geordnet, vorgestellt auf jeweils einer halben bis zweieinhalb Seiten mit knapper Inhaltsangabe und anschließenden Ausführungen zur jeweiligen Besonderheit, in die oft auch Anmerkungen über die Beteiligten einfließen. Mindestens eine Abbildung gibt es pro Film, meist Plakate (in Farbe!), manchmal auch Aushangfotos. Eine wahre Fundgrube ist das Buch, mit vielen Titeln, die auch Cineasten nicht kennen dürften. Finden wird man diese weniger bei Streamingdiensten – eher auf Youtube.
An Keßlers gelegentlich flapsige Ausdrucksweise habe ich mich im Verlauf der Lektüre von sechs Büchern gewöhnt, der trockene Humor passt zum Sujet, etwa wenn er zur Mickey-Spillane-Verfilmung »My Gun Is Quick« notiert: »Mit Sicherheit kein verschollener Klassiker, aber durchaus ein Vollkornbrot mit vielen Körnern drin, nicht nur außen drauf«. Für »Hollywood Blackout« gilt dasselbe wie für Keßlers frühere Bücher: kenntnisreich, ebenso zum Nachschlagen wie zum Schmökern geeignet.
Christian Keßler: Hollywood Blackout. Sternstunden des amerikanischen Noir-Kinos (1941–1961). Martin-Schmitz-Verlag, Berlin 2021. 373 S., 35 €.
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