Apple TV+: »Cha Cha Real Smooth«
Andrew (Cooper Raiff) ist einer dieser jungen Männer, wie es sie so exemplarisch verschroben-sympathisch wohl nur in amerikanischen Independent-Filmen gibt, deren Tonfall mit keinem deutschen Wort so gut beschrieben ist wie mit dem englischen quirky. Anfang 20 ist er gerade mit dem College fertig, was allerdings nicht bedeutet, dass er tatsächlich im Leben angekommen wäre. Im Gegenteil zieht Andrew prompt wieder bei seiner emotional nicht unbedingt stabilen Mutter (Leslie Mann) und deren neuem Mann (Brad Garrett) zu Hause im verschlafenen New Jersey ein, nimmt den kleinen Bruder David (Evan Assante) unter seine Fittiche und jobbt am Fast-Food-Tresen im Einkaufszentrum, während seine Freundin mit einem Stipendium nach Europa verschwindet.
Bald immerhin kommt Bewegung in den eher von Frust und zu viel Alkohol geprägten Alltag, als er David auf eine Bar Mizwa begleitet und sich dort schnell herausstellt, dass ausgerechnet er, Andrew, ziemlich gut darin ist, unter gerade pubertierenden Kids für richtig Stimmung zu sorgen. Plötzlich wird er regelmäßig für solche Veranstaltungen als Animateur gebucht, was er weniger des Geldes wegen mitmacht als für eine Frau. Denn immer wieder ist bei diesen Partys die bezaubernd, aber auch einsam wirkende Domino (Dakota Johnson) mit ihrer autistischen Tochter Lola (Vanessa Burghardt) zu Gast. Sie zum Lachen zu bringen wird trotz eines gewissen Altersunterschiedes (und der Tatsache, dass sie verlobt ist) für den schwer verknallten Andrew bald zur wichtigsten Aufgabe überhaupt.
Ob »Cha Cha Real Smooth«, der beim Sundance-Festival in diesem Jahr einer der Filme war, die für den größten Hype sorgten und von Apple TV+ entsprechend teuer eingekauft wurde, für einen als Zuschauer*in funktioniert, steht und fällt tatsächlich damit, ob man Typen wie Andrew am liebsten in den Arm nehmen oder ihnen doch eher einen Arschtritt verpassen will. Was womöglich genauso für Hauptdarsteller und Regisseur Cooper Raiff gilt, der gerade einmal 24 Jahre jung ist und hier schon seinen zweiten Spielfilm vorlegt.
Keine Frage: treuherzig-verletzliche Typen wie er, die auf etwas anstrengende Weise nicht erwachsen werden, dafür aber deutlich sensibler als die meisten Alters- und Geschlechtsgenossen sind, haben als Filmfigur manchmal etwas Altklug-Bemühtes. Gleichzeitig sind sie auch ein willkommener Gegenpol zu den Antihelden und Beispielen toxischer Männlichkeit, denen man sonst so oft begegnet.
Wer sich also einlassen mag auf die emotional durchaus manipulativen US-Indie-Erzählmuster, wie sie auch Zach Braff oder Raiffs Mentor Jay Duplass beherrschen, kommt in »Cha Cha Real Smooth« voll auf seine Kosten. Ein großes Herz, viel Sympathie für alle Figuren und die Fähigkeit zu rühren hat der Film nämlich ohne Frage. Dakota Johnson zeigt einmal mehr, dass sie in jeder einzelnen ihrer Rollen zu strahlen vermag wie wenig andere. Und um ein allzu plumpes Happy End in der Liebesgeschichte macht Raiff smarterweise natürlich auch einen großen Bogen.
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