Sony Channel: »Call My Agent!« Staffel 4

»Call My Agent!« (Staffel 4, 2020). © Mon Voisin Productions / Mother Production Dépot Légal 2020

»Call My Agent!« (Staffel 4, 2020). © Mon Voisin Productions / Mother Production Dépot Légal 2020

Wie kleine Kinder

Was bisher geschah: Nach dem Tod des Agenturgründers haben sich die Mitarbeiter zusammengerauft, um die Agentur ASK vorm Bankrott zu bewahren. Zu Beginn der neuen Staffel aber herrscht in der betriebsamen Büroetage schon wieder Land unter: Chefin Andréa und ihre Mitstreiter müssen den Weggang von Matthias kompensieren. Andréa kämpft außerdem um ihre Beziehung mit Colette, die einstige schüchterne Steuerinspektorin der Agentur, mit der sie nun zusammenlebt und sich die Betreuung ihres Babys teilt. Mit Elise kommt eine neue Konkurrentin ins Spiel, die den bisherigen Gipfel der in der Branche herrschenden Abgefeimtheit darstellt.

Ihr Betriebsgeheimnis wahrt die seit 2015 laufende Serie auch in der vierten Staffel. Denn wie kann es sein, dass man mit diesen Agenturleuten, die sich mit hinterfotzigsten Tricks die Klienten abjagen, trotzdem sympathisiert (ausgenommen Elise, die sich eine Ohrfeige von Andréa redlich verdient hat)? Das Geheimnis liegt wohl in der Insider-Erfahrung der Filmemacher. Sie haben, unter Federführung des ehemaligen Casting-Direktors Dominique Besnehard, die beruflichen und privaten Fallstricke mit soviel Witz und Drive geskriptet, dass man spürt: Hier ist neben viel Groll noch mehr Liebe zum Filmmetier am Werk. Dank scharfsichtiger Beobachtung wird die Agentur, Schnittstelle zwischen Schauspielern, Regisseuren, Produzenten und Autoren, zur unerschöpflichen Fundgrube für Allzumenschliches. So überspitzt und verdichtet das Treiben auch ist, so wirkt es doch nachvollziehbar.

Auch die reale Entstehungsgeschichte der Serie spiegelt die verarbeiteten Themen. Weil während des Drehs der ersten Staffel Stargäste reihenweise absprangen, mussten die Filmemacher viel improvisieren. Kaum zeigten sich erste Erfolge, standen die Promis jedoch Schlange. So dürften in der Serie, deren Originaltitel »Dix pour cent« auf die Agentenprovision anspielt, die meisten französischen Filmpromis, von Isabelle Adjani über Claude Lelouch bis Jean Reno, Cameo-Auftritte absolviert haben. Indem sie selbstironisch ihre »déformation professionelle« auf die Schippe nehmen, bekräftigen die Stars das Klischee von Schauspielern als Kinder. Mit ihren Launen animieren sie ihre Agentur-Betreuer zu Höchstleistungen als Nannies, Therapeuten und beste Kumpel.
Höhepunkt der vierten Staffel ist eine äußerst fitte Sigourney Weaver, die sich weigert, in einem Liebesfilm mit einem fußlahmen gleichaltrigen Partner vorlieb zu nehmen und stattdessen auf Jungstar Gaspard Ulliel besteht. 

Wie viel halbseidene Gaukelei in der darstellenden Kunst steckt, wird auch im Blick hinter die Kulissen von Dreharbeiten deutlich. So versucht sich Charlotte Gainsbourg, unterstützt von Andréa, mit haarsträubenden Notlügen aus dem konfusen Sci-Fi-Filmdebüt ihres besten Freundes herauszuwinden. Agentur-Sensibelchen Hervé wird als Begleiter beim Casting einer Newcomerin selbst entdeckt und rührt als Drama Queen das Filmteam zu Tränen. Und wo einerseits das Hochamt der Branche, die César-Verleihung, zelebriert wird, dient die Trophäe andererseits als Schlagwaffe gegen einen untreuen Lover.

Der Blick in den Maschinenraum des Filmemachens zeigt zwar, dass die Branche in ihrer Überspanntheit und dem permanenten Spagat zwischen Kunst und Kommerz mit keiner anderen vergleichbar ist. Doch vielleicht ist es auch die spürbare Hingabe, mit der in diesem mehrstimmigen »film choral« die Arbeitsabläufe, das »How to« eines Berufsfelds veranschaulicht werden, dank der die Serie weltweit so gut ankommt. Die erste Adaption außerhalb Frankreichs wurde in der Türkei gedreht (und dabei die Agenturchefin zur Heterosexuellen konvertiert). Auch italienische, britische, chinesische und indische Versionen sind in Arbeit. Und trotz des finalen Paukenschlags in vorliegender Staffel sind eine Fortsetzung und ein in New York angesiedelter Spielfilm im Gespräch.

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