Sky: »Wonder Woman 1984«
Das Wiedersehen mit der königlich souveränen Wonder Woman, die sich in ihrem ersten Film 2017 so gut geschlagen hatte, war etwas, worauf man sich freute. Vielversprechend war überdies die Nachricht, dass Komikerin Kristen Wiig mit ins Boot der neuen DC-Comicverfilmung geholt wurde. Dass dieses Sequel jedoch eher enttäuscht, ist zunächst dem Format geschuldet. Nachdem Warner Bros. Studio den Film wegen Corona ein Jahr zurückgehalten hatte, wirkt der Start als Streaming-Event wie eine Notlösung. Kommerziell ist diese Entscheidung ein von Kinobetreibern mit Entsetzen aufgenommener Dammbruch, zumal der Kinostart ungewiss bleibt. Im Heimkino ist leider sofort ersichtlich, dass dieses Superheldinnen-Epos für die große Leinwand geschaffen wurde. Dort hätten besonders die computeranimierten Effekte der Ouvertüre, in der Wonder Woman als draufgängerisches Gör auf der mythischen Amazoneninsel Themyscira einen athletischen Wettkampf bestreitet, besser ausgesehen. Im Bildschirm-Format lassen die Bewegungen der nun ameisengroßen Wettkämpferinnen eher an einen Sandalen-B-Film denken. In ihrer verwaschenen Optik ist gegen Filmende auch Cheetah, eine DC-Schurkin im kinky Leopardenkostüm, mehr merkwürdig als aufregend.
Andererseits haben die DC-Comicverfilmungen der letzten Jahre – im Gegensatz zum stromlinienförmigen Team Marvel, dessen Mitglieder im progressiven Zeitgeist mitschwimmen – ohnehin einen Hang zum charmanten »camp«. Wie könnte es anders sein, wenn antike Halbgötter in der Gegenwart stranden: Wenn die statueske Gal Gadot als Diana Prince im klassisch-eleganten Look einherschreitet, liegen ihr, metaphorisch gesprochen, alle Sterblichen zu Füßen. So auch die linkische Barbara Ann Minerva, als sie an ihrem ersten Arbeitstag im Washingtoner Smithsonian Institut die leitende Archäologin – Diana – kennenlernt.
Wie der erste WW-Film in der Spätphase des Ersten Weltkriegs ist auch das im Jahr 1984 spielende Sequel an einem historischen Wendepunkt angesiedelt: dem gefährlichsten Moment des Kalten Krieges, in dem die Großmächte am Rande eines Atomschlags standen. Als »MacGuffin« zur Verknüpfung von Privatem und Politischen dient ein antiker Wunschstein. Für Zeitkolorit sorgen nun statt der Korsetts der spätviktorianischen Ära die modischen Verirrungen der Achtziger wie pinkes Aerobic-Polyester und Schulterpolster. Nicht Diana indes, sondern ihre magisch wiederauferstandene große Liebe, Pilot Steve, muss Kleider anprobieren.
Bedenke, was du dir wünschst, denn es könnte wahr werden, lautet das moralisierende Leitmotiv der Handlung, was einige hübsche Ideen generiert: die Welt der Achtziger aus der Sicht eines Mannes der 1910er-Jahre oder die Metamorphose der verhuschten Barbara in eine Femme fatale, die mit ihren Ärmchen im Sportstudio mühelos Hantelstangen hievt. Abtörnend lahm ist dagegen Schurke Max Lord, der mit seinen Wünschen die ganze Welt aufmischt. Die globalen Verwicklungen sind selbst am Maßstab eines Fantasyfilms gemessen so konfus, dass dem über zweistündigen Epos nach der Hälfte der Laufzeit die Puste ausgeht. Dass Lord mit seiner narzisstischen Blender-Attitüde dem jungen Donald Trump ähnelt, ist vielleicht Zufall. Doch wenn ihm zuletzt mit frommer Küchenpsychologie eine dramaturgisch überflüssige Instant-Therapie seines Kindheitstraumas zuteilwird, ist inhaltlich der Tiefpunkt erreicht.
Das ist umso enttäuschender, da sich anfangs auch ein weit spannenderer Handlungsstrang abzeichnete. Wenn Minerva, im Kontrast zur altersweisen Teilzeit-Vigilantin Wonder Woman, mit neu erwachtem Sadismus einen Vergewaltiger zusammentritt, hätte eine comichafte Bearbeitung eines »Eine Frau sieht rot«-Konfliktes nahe gelegen. Doch es zeigt sich, dass selbst ein in den weiblichen Hauptrollen so grandios besetzter Film wie dieser kein Garant dafür ist, dass zur Abwechslung auch spezifisch weibliche Problemlagen zum Thema werden.
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