Netflix: »On the Verge«
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Zugegeben, es ist nicht wahnsinnig originell, bei jeder Serie über vier Freundinnen in einer Großstadt als Vergleich »Sex and the City« heranzuziehen. Und doch kann man sich nun auch bei »On the Verge« nur schwerlich dagegen wehren, Parallelen zu Carrie Bradshaw und Co. zu ziehen. Schon allein weil die Protagonistinnen der ersten von Julie Delpy verantworteten Serie in einem ähnlichen Alter sind, in dem das »Sex and the City«-Quartett heute wäre. Das Setting allerdings ist hier nicht Manhattan, sondern Los Angeles – und statt glamouröser Single-Abenteuer stehen eher Ehe- und Elternsorgen auf dem Programm.
Kinder im gleichen Alter sind nämlich die größte Gemeinsamkeit, die der Freundschaft dieser vier Fiftysomethings zugrunde liegt. Justine (Julie Delpy) ist einst der Karriere wegen mitsamt Ehemann Martin (Mathieu Demy) aus Frankreich nach Kalifornien gezogen, inzwischen erfolgreiche Köchin und sitzt gerade an ihrem Kochbuch. Anne (Elisabeth Shue) kommt aus reichem Hause, hat sich als Modeschöpferin etabliert und ist meistens high. Yaz (Sarah Jones) hat sich lange aufs Muttersein konzentriert und will nun zurück ins Berufsleben, kann aber zu Hause nur schwer die Kontrolle aus der Hand geben. Und Ell (Alexia Landeau, die mit Delpy auch die Drehbücher schrieb) ist als alleinerziehende Mutter dreier Kinder nicht nur finanziell am Rande ihrer Belastbarkeit angelangt.
Tatsächlich stehen alle vier Frauen, der Titel »On the Verge« deutet es an, am Rande von irgendetwas, seien das nun Neuanfänge, Lebenskrisen oder Nervenzusammenbrüche. Oder ist es vielleicht doch eher der ganz normale Alltag der oberen Mittelklasse in Los Angeles, den wir hier erleben?
Statt großer Dramen setzt die Serie in ihren zwölf halbstündigen Episoden jedenfalls vor allem auf Beiläufigkeit – und dazu auf jede Menge Humor, wie man ihn auch aus den meisten von Delpys Filmen kennt. Ihr Tonfall, eine Mischung aus neurotisch, albern und verkopft, mit dem sie bislang bevorzugt Geschichten aus Paris oder New York erzählte, verfehlt auch im Sonnenschein ihrer Wahlheimat Los Angeles seine Wirkung nicht. Thematisch deckt die Serie ein breites Sammelsurium dessen ab, was Boomer und die Generation X heutzutage so umtreibt, von Sex und Ehebruch über Identitätspolitik und politisch korrekte Sprache bis hin zu Smoothie-Rezepten, Instagram-Accounts und Katzenkacke im Wohnzimmer. Das ist – auch in der Figurenzeichnung – manchmal arg oberflächlich, aber meistens auch kurzweilig und charmant, bisweilen sogar entlarvend. An die Pointiertheit der Dialoge von »Sex and the City« kommt »On the Verge« allerdings nie heran, und was damals die stärksten Momente waren – nämlich jene Szenen, in denen alle vier Freundinnen gleichzeitig auftraten – hätte es auch hier häufiger gebraucht. Bleibt abzuwarten, ob der offizielle Ü50-»Sex and the City«-Nachfolger »And Just Like That...«, der in den USA noch in diesem Jahr anlaufen wird, das beherzigt.
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