Mediathek: »Maroni«

»Maroni – Im Reich der Schatten« (Staffel 2, 2020). © Frenchkiss Pictures/ARTE France

© Frenchkiss Pictures/ARTE France

Kolonialkrimi

Mit dem Sechsteiler »Maroni – Im Reich der Schatten« knüpft Arte in diesem Jahr an die 2018 erstausgestrahlte Eigenproduktion »Maroni – Die Geister des Flusses« an. Wer die erste Staffel versäumt hatte und im Mai die Fortsetzung einschaltete, dürfte dem Geschehen nur mit halbem Verständnis gefolgt sein, denn die Autoren um Serienschöpfer Aurélien Molas und Regisseur Olivier Abbou nehmen darin engen Bezug auf das vorangegangene Geschehen. Arte reicht die ersten vier Folgen am 3. Juni als Wiederholung nach. In der Arte-Mediathek sind beide Zyklen eingestellt. Es empfiehlt sich, sie in der ursprünglichen Reihenfolge zu schauen.

Die Geschichte beginnt in Französisch-Guayana. Die strafversetzte Chloé Bresson (Stéphane Caillard) glaubt sich nach einem einschlägigen Lehrgang gut vorbereitet auf die Arbeit in dem französischen »Übersee-Département«, wie Kolonien heute beschönigend genannt werden. Doch der geplatzte Reifen während der Autofahrt nach Cayenne wird sich als böses Omen erweisen.

Gleich anderntags steht eine Mordermittlung an. Bresson wird dem einheimischen Kollegen Joseph Dialo (Adama Niane) zugeteilt. Auf dem Fluss Maroni treibt ein Katamaran. Blutverschmiert. Am Mast hängen eine Faultier- und eine Menschenleiche.

Das Boot gehörte einer französischen Familie von Philanthropen, die in den Dörfern kostenlos Schulbücher verteilte, was von den Bushinengue, Nachfahren entflohener Sklaven, nicht gern gesehen wurde. Die Eltern sind tot, der kleine Sohn ist verschwunden.

Das Potenzial des Stoffes deutet sich an, als Bresson trotz Dialos eindringlicher Warnung in die Hütte eines Stammesführers eindringt. Taktloses Dominanzgebaren. Leider wird das Thema schnell zur Nebensache. Bresson und Dialo, beide traumatisch vorbelastet, sinken, Joseph Conrad wird eingangs zitiert, in ein fiebrig-schwüles Klima aus Aberglauben und grausamem Aufbegehren. Dramaturgisch durchdachter und vor allem sensibler umgesetzt, hätte daraus eine ergiebige Serie werden können. Molas und Abbou jedoch produzieren Höllengemälde aus drastisch-delirierend ausgemalten Voodoo-artigen Ritualen. Ein trauriger Trend in gegenwärtigen Kriminalerzählungen, ähnlich zu beobachten in der vom ZDF koproduzierten und kürzlich ausgestrahlten »Baztán«-Trilogie nach Romanen der baskischen Autorin Dolores Redondo mit Gräueln wie Menschenopfern, Kindsmord, Kannibalismus. Naturreligionen und indigene Traditionen werden als ihrem Wesen nach gefährlich hingestellt. Das Exotische ist hier nur dem Schein nach eine Bereicherung abendländischer Kulturen.

Chloé Bresson überlebt, wenn auch knapp, verliert aber ihren Partner Dialo, der sich nach anfänglicher Disharmonie als Seelenverwandter erwiesen hatte. Dennoch möchte sie in Guayana ansässig werden, muss aber zunächst heim auf die Insel Saint-Pierre. Günstig für die Drehbuchautoren, dass Frankreich auch im Osten Kanadas über eine Exklave verfügt. Bressons Mutter, ebenfalls Polizistin, hat angeblich den Freitod gewählt und die Verantwortung für ihren geistig behinderten Sohn François (Axel Granberger) der Tochter überlassen. Chloé Bresson zweifelt, wird aber zunächst von anderen Dingen beansprucht. Als ein junger Bursche, im Ort als krimineller Rowdy bekannt, tot auf der Müllkippe gefunden wird, gerät François Bresson unter Verdacht. Chloé mischt sich ein und kommt einem weit verzweigten Verbrechen auf die Spur, an dem Angehörige der First Nations beteiligt sind.

Auch hier klingen, wie in der ersten Staffel, kritische Töne an. Gegen Kolonialismus, Ausbeutung, Männergewalt. Doch wirkt all das nur alibihaft angesichts der inhaltlichen und inszenatorischen Mätzchen. Den Protagonist:innen nämlich geht es wie Haley Joel Osment in »The Sixth Sense«: Sie sehen tote Menschen, reden und paaren sich sogar mit den Phantomen. Selbst eine transdimensionale Zeugung scheint möglich.

Regisseur Abbou neigt zum Protz: Zwei junge Frauen umarmen sich und gehen in Flammen auf. Mal steht das Bild kopf, mal muss eine der Darstellerinnen die Kamera vor sich hertragen. Prätentiöser Ästhetizismus ohne Bezug zum Inhalt. Sinnlos, ergo Schwulst.

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