Mediathek: »Guilt«
»Guilt« (Staffel 1, 2019). © BBC/Expectation/Happy Tramp North/Mark Mainz
Dritte Folge, neunte Minute: ein Déjàvu für alle, die dank der Gnade einer frühen Geburt den deutschen Durbridge-Dreiteiler »Das Messer« kennen. Das Beste daran war, neben den verwegenen Plansequenzen, die Filmmusik der deutschen Avantgardeband Can, die mit der Auskopplung »Spoon« sogar einen Hit verzeichnete. Im schottischen Vierteiler »Guilt« begleitet dieses Stück hypnotischer Psychedelic-Musik eine entscheidende Wendung.
Musik ist hier über den Soundtrack hinaus von Bedeutung. Der Luftikus Jake McCall (Jamie Sives) besitzt einen Secondhand-Plattenladen, den er mit viel Liebe zur Musik, aber wenig Geschäftssinn knapp über die Runden bringt. Die Buchhaltung überlässt er seinem Bruder Max (Mark Bonnar).
Ansonsten sind sich die Brüder nicht gerade grün. Nur zufällig kehren sie eines Abends gemeinsam von einer Hochzeitsfeier zurück. Max hat getrunken, Jake darf seinen Luxuswagen steuern. Es rummst, ein Mensch fliegt über die Motorhaube und stirbt. Der aufgelöste Jake will den Notarzt und die Polizei rufen. Max, der smarte Anwalt, widerspricht.
Das Opfer wohnt gleich nebenan, sein Haus steht offen. Die beiden tragen die Leiche hinein, setzen sie in den Sessel. Max entdeckt ein Dokument, demzufolge Walter an Krebs im Endstadium litt. Da er keine erkennbaren Verletzungen davongetragen hat, wird später tatsächlich die Krankheit als Todesursache wahrgenommen.
An dieser Stelle wäre die Geschichte zu Ende, hätte Jake beim Leichentransport nicht seine Brieftasche verloren. Nun aber meldet sich der arglose Nachlassverwalter. Er möchte das Fundstück zurückgeben. Jake gibt sich als Freund Walters aus, die Brieftasche wird er sich bei der Totenfeier abholen.
Dort lernt er Walters aus den USA angereiste Nichte Angie (Ruth Bradley) kennen, die über die Lebensverhältnisse ihres Onkels nicht viel weiß und von den Brüdern, Max ist vorsichtshalber mitgekommen, leicht getäuscht werden kann. Als einzige Verwandte könnte Angie eine Obduktion veranlassen. Darum hält Max seinen Bruder an, sie zu bezirzen, um sie von solchen Gedanken abzubringen. Das klappt besser als erwartet.
Vergleichbare Plots wurden in der Vergangenheit zuweilen als schwerblütige Schuld-und-Sühne-Dramen in Szene gesetzt. Auch hier ein Motiv, aber die Briten verstehen diese Produktion als gallige Komödie. Wer ein Faible für Humor von tiefster Schwärze besitzt, wird ihr mit Vergnügen folgen. In einer Art Schneeballdramaturgie entwickeln sich immer neue unerwartete Komplikationen. Jede Figur, mag sie anfangs noch so unbedeutend wirken, hat – teils sehr gefährliche – Geheimnisse. Auch auf der bildnerischen Ebene (Kamera: Nanu Segal) gibt es vielerlei Finessen. Es lohnt, von vornherein auf Details zu achten. Der schottische Romancier und Drehbuchautor Neil Forsyth würzt das groteske Geschehen zudem mit charmanten Dialogen: »Sind Sie ein schlechter Tänzer?«, fragt Angie. »Nein«, sagt Jake, »ich bin nur Schotte.«
OV-Trailer Staffel 1
OV-Teaser Staffel 2
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