Kino on Demand: »Szenen meiner Ehe«

© Rushlake Media/Real Fiction Filmverleih

2019
Original-Titel: 
Szenen meiner Ehe
Heimkinostart: 
08.04.2021
L: 
93 Min
FSK: 
6
Kommunizieren muss man können

Es ist, könnte man sagen, eine Spätzünder-Ehe. Denn als Katrin und Lukas einander kennenlernen, leben sie jeweils in festen Beziehungen mit eigenen Kindern; auf eine Affäre lassen sie sich dennoch ein – die mit der Abtreibung möglichen gemeinsamen Nachwuchses sowie Kontaktabbruch endet. Ein zufälliges Wiedersehen eine Dekade später resultiert dann aber in einer kurzentschlossenen Heirat. Davon, dass mit dieser offiziell gemachten Verbindung endlich doch noch klare Verhältnisse hergestellt würden, kann allerdings nicht die Rede sein. Auch dass in diesem »endlich doch noch« so etwas wie Romantik zum Ausdruck käme, lässt sich nicht wirklich behaupten.

Es geht um die Ehe von Katrin Schlösser und Lukas Lessing, Filmproduzentin und Professorin in Berlin und Köln die eine, Schriftsteller im Burgenland der andere. Mit dem Dokumentarfilm »Szenen meiner Ehe« gibt Schlösser ihr Regiedebüt, richtet das Smartphone auf sich und ihren Mann und lotet in einer Zeit, in der erklärtermaßen nichts mehr privat ist, den Begriff der Intimsphäre aus. Mitunter ist man also durchaus etwas peinlich berührt angesichts dessen, was Schlösser einen da zu bezeugen zwingt. Andererseits kommt in den impressionistisch aneinander gefügten Szenen ein Ringen um unbedingte Aufrichtigkeit zum Ausdruck, das anrührt. Nicht zuletzt, weil es die harte Arbeit verdeutlicht, die der Versuch, eine Beziehung glücken zu lassen, mit sich bringt.

Und umso schwerer ist diese Arbeit im vorliegenden Fall, da sie auf schwieriger Ausgangslage fußt. Da ist die räumliche Distanz, die zugleich eine Differenz der Mentalität miteinschließt, die über die Geschlechterdifferenz hinausgeht: Lukas ist geboren und aufgewachsen in Österreich und führt eine ländliche Existenz, Katrin ist in der DDR sozialisiert und in der Großstadt verankert. Dann ist da die Abtreibung, die als verpasste Chance oft wie ein stiller Vorwurf im Raum steht. Da ist das Bewusstsein des in den beiden Ursprungsfamilien verursachten Leids, das mitunter als leises Schuldgefühl mitschwingt. Und schließlich kommen noch die Sorgen um die jeweiligen pflegebedürftigen Mütter dazu. Alles Gegebenheiten, die die Unsicherheit über den weiteren gemeinsamen Weg verstärken. Wie soll der aussehen? Und an welchem Ort soll er eingeschlagen werden? Immerhin sind Katrin und Lukas bereits beide in ihren Fünfzigern, da krempelt man den eigenen Lebensentwurf nicht mehr so ohne weiteres komplett um.

Doch hoch sind die Erwartungen an die gemeinsame Kompetenz und groß ist das Vertrauen in die Fähigkeit zur Kommunikation, und also machen sie sich ans Werk, suchen nach der adäquaten Formulierung eines Wohlbehagens und dem präzisen Ausdruck für ein Unbehagen, versuchen Anliegen zu formulieren, ohne vorwurfsvoll zu wirken – und reden doch immer wieder aneinander vorbei.

»Szenen meiner Ehe«, dessen Material von Januar 2015 bis Juli 2018 gesammelt wurde, ist mitunter auch ein beredtes Zeugnis für das Scheitern an dem Grundpfeiler einer modernen Beziehung, dem Miteinanderreden. Der Selbstüberschätzung der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten entspricht dabei die Überforderung des Gegenübers, das verstehen soll, was es nicht kann, weil es eben das Gegenüber und damit das Andere ist. So dass die Versuche, analytisch an die Konflikte heranzugehen, öfter in schmerzlichen Verwirrungen und weiteren offenen Baustellen resultieren.

Angesichts dessen, wie hier Worte und Gefühle einander wiederholt in die Quere kommen, könnte man den Glauben an die Liebe und die Hoffnung auf das Glück verlieren. Doch bilden Glaube, Liebe und Hoffnung jene Trias, die das Glück erst möglich macht. Deswegen sind diese aufrichtigen Zeugnisse des Scheiterns zugleich auch Beweise des Gelingens; Aufgeben ist keine Option, wenn man einander nicht verlieren will.

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