DVD-Tipp: »The 800«
Der lange Anlauf zeigt bereits, dass dieser Film gewichtig sein will: Nach ausgiebigem Vorspann mit Texttafeln, Zitaten und ersten dramatischen Szenen erscheint der Filmtitel nach sage und schreibe 20 Minuten. Da ist man bereits mitten im Shanghai des Jahres 1937, in dem ein chinesisches Regiment von etwa 800 Mann die vollständige Einnahme der Stadt durch die japanische Übermacht noch etwas verzögern soll. Das Fort Alamo dieses bunten letzten Aufgebots aus Bauern und Deserteuren, die sich letztlich als tapfere Verteidiger ihres Vaterlandes bewähren werden, ist ein großes Lagerhaus am Suzhou River, direkt gegenüber der »Konzession« genannten internationalen Sperrzone unter britischer Kontrolle. Wie von Logenplätzen aus beobachten die ausländische Presse und die Bewohner dort die erbitterten Kämpfe am kaum mehr als 50 Meter entfernten anderen Flussufer.
Im Westen ist diese Episode des zweiten chinesisch-japanischen Krieges kaum bekannt, im weltweit erfolgreichsten Blockbuster des Jahres 2020 wird sie zum Heldengesang. Sein Einspiel von 461 Millionen Dollar hat »The 800« allerdings fast ausschließlich in China erzielt – mit dem Wettbewerbsvorteil, dass die Kinos trotz Pandemie dort viel länger geöffnet waren als in den meisten westlichen Ländern.
»The 800« als chinesischer Blockbuster nach Hollywood-Vorbild hat einiges zu bieten. Enormer Aufwand wurde schon mit dem in 18 Monaten errichteten gigantischen Set getrieben, das mit seinem bizarren Kontrast von pulsierendem Vergnügungsviertel mit Leuchtreklamen auf dem einen Flussufer, Ruinen, Tod und Elend auf dem anderen beeindruckt. Auch die visuellen Effekte (aus westlicher Herstellung), die dynamische Kameraführung im IMAX-Format und die bildgewaltigen Actionszenen sind auf Augenhöhe mit US-Großproduktionen. Was man sich besser nicht abgeschaut hätte, sind die allgegenwärtigen Klischees sowie die platte Symbolik, wenn da etwa ein weißes Pferd durch die Höllenszenerie galoppiert. Hinzu kommt ein Pathos, das sogar Filme wie »Pearl Harbor« locker übertrumpft. Die wortreiche Heldenverehrung von »The 800« macht nicht einmal vor der Verklärung militärisch sinnloser Selbstmordaktionen halt, wenn es darum geht, »die Ehre der Nation zu retten«. So wird der Krieg zwar in aller Grausamkeit ausgestellt, taugt aber zugleich zur martialischen Demonstration nationaler Einheit und Stärke. Als Zeugnis der Selbstdarstellung Chinas wie auch seiner Ambitionen auf dem internationalen Filmmarkt ist der Film freilich hochinteressant.
Ironische Fußnote: Dieses staatstragende Spektakel hatte zunächst offenbar Schwierigkeiten mit der Zensur. Vermutlich wurzelten die »technischen Probleme« darin, dass die historischen Warenhaus-Verteidiger Truppen der nationalistischen Kuomintang waren, also Gegenspieler des bis heute verehrten Mao.
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