Buch-Tipp: Hans Moser – Wiener Weltschmerzkomiker
Österreicher sind anders. Zumindest anders als Deutsche. Sieht man heute eine der alten Filmkomödien mit Hans Moser und Theo Lingen, erkennt man den Unterschied sofort: Lingen, groß, mit holzschnittartigen Bewegungen, seiner im deutschen expressionistischen Theater geschulten Diktion; Moser, klein, mit vom Schwipserl bereicherten Bewegungen und seiner sehr musikalischen Stimme, welche die Herkunft aus dem Humus des Wiener Liedes anklingen lässt. Österreicher haben es außerdem besser als Deutsche, weil das Filmarchiv Austria immer wieder einige der schönsten Filmbücher einschließlich fabelhafter Fotos veröffentlicht.
Mosers Leben umspannte fast ein Jahrhundert. Erste Engagements führten ihn bis nach Czernowitz, damals einer der Außenposten des riesigen K.u.K.-Reiches; es folgten eine Laufbahn als Kleindarsteller (unter anderem war Moser ein gesuchter »Dritter-Akt-Komiker« in Operetten), eine erfolgreiche Karriere im Tonfilm, die er im »Dritten Reich«, obwohl er zu seiner jüdischen Frau hielt, angepasst, aber erfolgreich überstand. Seine letzten Filme spielten in Bad Ischl oder Gmunden, dem zusammengeschrumpften Rest der einstmals stolzen Monarchie. Das eingeschränkte Rollenspektrum reichte vom entfesselten Kleinbürger bis zum Großvater mit dem goldenen Wiener Herzen. Das Abgründige seines Talents kam selten zum Vorschein, weil die »Filmindustrie viel zu erbärmlich war für diesen Mann« (Elfriede Jelinek). Zu bestaunen ist es in den wenigen mitgeschnittenen Theateraufführungen und in der TV-Verfilmung von Horváths »Geschichten aus dem Wiener Wald«, Moser gibt den Zauberkönig. Da sieht man den Abstand zwischen ihm und dem anderen grantelnden »Weltschmerzkomiker«, Helmut Qualtinger, verschwinden.
Die Beiträge des Buches nähern sich verschiedenen Facetten des Darstellers und Menschen Hans Moser an, einer interessanter, aufschlussreicher, horizonterweiternder als der andere. Fernab des mittlerweile absurden akademischen Tons deutscher institutioneller Veröffentlichungen sind alle Texte dieses Bandes pure Leselust. Die besondere Gabe des Österreichers für feuilletonistische Fabulierkunst in der Nachfolge Alfred Polgars und Hans Weigels ist dabei das Surplus – wenn etwa Arno Rußegger im Zusammenhang mit Mosers Rollenprofil in der Nachkriegszeit von der »Gnade sexueller Bedürfnislosigkeit« spricht.
Furios ist auch das Gespräch des genannten Autors mit Harald Haslmayr über »Hans Moser als Sänger«. Wie da der Bogen von Mosers nasalem Nuschelgesang über Hofmannsthals Chandos-Brief, Heideggers Lesung der Hölderlin-Hymnen hin zum portugiesischen Fado geschlagen und ganz nebenbei noch Gerard Mortier abgewatscht wird – das ist atemberaubend. Tu felix Austria!
Gottfried Schlemmer, Arno Rußegger, Georg Seeßlen (Hg): Hans Moser – Wiener Weltschmerzkomiker. Verlag Filmarchiv Austria, Wien 2020. 330 S., 29,90 €.
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