Mediathek: »Warten auf'n Bus«
Roland Zehrfeld, Felix Kramer, Ursula Werner in »Warten auf'n Bus« (2020). © RBB/Frédéric Batier
Zwei Männer in den mittleren Jahren, der eine frühinvalide, der andere langzeitarbeitslos: Hannes und Ralle treffen sich täglich und bei jeder Witterung in der Brandenburger Provinz an der Endhaltestelle der Buslinie 617 nach Briesenow. Schon die hohe Zahl der Busliniennummer ist ein Indikator dafür, wie abgelegen, um nicht zu sagen abgehängt, das kleine Kaff ist, in dem sie leben. Das Bushäuschen, das genauso abgewirtschaftet ist wie die beiden in ihren verwaschenen, zerknitterten Klamotten, mit den lang rausgewachsenen Frisuren und Bärten, ist ihr Wohnzimmerersatz. Der ebenso struppige Mischlingshund Maik liegt ungerührt daneben, während sie über alles reden, was ihnen so durch den Kopf geht.
Aus vielen entwaffnend ehrlichen und oft auch komischen Gesprächen übers Alltägliche setzt sich langsam das große Ganze dieser Existenzen zusammen, das zugleich eine Bestandsaufnahme Ost ist. Ein Stück Leben, ganz sachte überhöht, ein wenig erinnert das an andere Alltagsphilosophen des deutschen Fernsehens, an den »Tatortreiniger« und mehr noch an den Langzeitarbeitslosen »Dittsche«, der an einer kleinen Hamburger Imbissbude mit dem Wirt und anderen Gästen übers Leben sinniert, nur dass der besondere Fokus hier eben auf den Nachwirkungen der Wende liegt.
Simpler und kostengünstiger geht es kaum, und trotzdem macht diese rbb-Produktion auch ohne exotische Schauplätze und rasante Action viel her, mit vielfältigen Perspektiven und einem melancholischen Soundtrack, der an Ry Cooder erinnert.
Einfach nur eine Bushaltestelle im flachen Brandenburger Land, ringsum öde Felder und Wälder, und mittendrin zwei liebenswert abgehalfterte Typen ohne große Zukunftsaussichten. Gelegentlich kommt mal jemand vorbei, Ralles Mutter, die am Geburtstag mit Campingtisch, Kuchenstücken, Sekt und Käse-Igel zum Feiern kommt, eine Nichte von Hannes, die einen Film über den wahren Osten drehen will, ein paar Neonazis, die handgreiflich werden, weil Ralle und Hannes ihre Hakenkreuz-Schmierereien abwaschen und übermalen. Genau genommen warten sie gar nicht auf den Bus, jedenfalls nicht um einzusteigen. Aber sie freuen sich auf die Busfahrerin Kathrin (Jördis Triebel), die an der Wendemarke immer eine kleine Zigarettenpause einlegt.
Drehbuchautor Oliver Bukowski und Regisseur Dirk Kummer, beide im deutschen Osten sozialisiert, gelingt das Kunststück, das Beiläufige mit dem Pointierten zu verbinden. Und in Ronald Zehrfeld und Felix Kramer haben sie wunderbare Verbündete, die die genau sitzenden Dialoge ganz und gar lebensecht hinzunuscheln. Während Hannes seine Argumente und Gedanken mit Sinnsprüchen anreichert, die mal von Aristoteles und mal aus der Ferrero-Küsschen-Werbung stammen, unterfüttert Ralle seine Gedanken mit allerlei entlegenem Wikipedia-Wissen. Dass die beiden Schauspieler seit gemeinsamen Zeiten auf der Ernst-Busch-Schule eng befreundet sind, unterfüttert die Rollen mit dem echten Leben, mit einer entwaffnenden Wahrhaftigkeit, die bei allem Frust und Schmerz nie larmoyant wird, bei allem Gefühl nie rührselig, zum Beispiel in der ersten Folge, wenn die beiden über vergangenes Beziehungsscheitern sinnieren und über die verhaltenen Hoffnungen, die an die Busfahrerin Kathrin geknüpft sind. Er könne ja nicht mal tanzen, um die fehlenden Worte zu überbrücken, meint Hannes, ach was, tanzen kann jeder, widerspricht Ralle, und greift sich den Freund, schon drehen die beiden ein paar steife Runden vor der kargen Hütte, als plötzlich die angehimmelte Busfahrerin anrollt. »Wir sind erledigt, für immer und ewig.« – »Gib ihr noch 5 Sekunden, vielleicht findet ses ja jut und lächelt . . .« Klar tut sie das. Kein Wunder, dass man sich am liebsten dazusetzen möchte.
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