Gangsterserien: Schmutzige Realität
»4 Blocks« (Serie, 2017-2019). © Verleih
Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Mafiosi in Kino und Fernsehen so romantisch verklärt wurden, wie einst in Coppolas »Paten«-Trilogie. Serien wie »McMafia«, »Gomorrha«, »Il Cacciatore« oder »4 Blocks« und demnächst auch Marco Bellocchios Spielfilm »Il Traditore« basieren auf akribischen Recherchen oder Insiderberichten. Sie erzählen ihre Geschichten vom Alltag der Mafiaclans nicht mehr als schillernden Mythos, sondern mit dokumentarischer Härte als schmutzige Realität und häufig auch aus der nüchternen Perspektive ihrer Jäger.
Das Jagdmotiv hat in der italienischen Serie »Il Cacciatore« einen doppelten Boden, verbindet die Gegenwart mit der Jugend. »Geduld macht einen Jäger aus«, konstatiert anfangs die fiktive Version des realen Staatsanwaltes, auf dessen Erinnerungen die Serie basiert. Während er sich Anfang der Neunzigerjahre unerbittlich und zäh zu den Schlüsselfiguren der Mafiaszene von Palermo durchkämpft, flackern immer wieder Erinnerungen auf, an die Zeit, in der er und einer der Mafiosi als rivalisierende Freunde in den Wäldern Wildschweine jagten. Die Treffpunkte und Tatorte der Mafiosi, abgelegene Gutshöfe, düstere Katakomben, nüchterne Tiefgaragen oder Rohbauskelette, verlassene Industrieanlagen oder Schrottplätze spiegeln die unwirtliche Kälte und Brutalität ihres Tuns. Am Anfang wirkt der von Francesco Montanari gespielte junge Staatsanwalt Saverio Barone zwar unerfahren, aber auch energisch und entschlossen. Doch im Laufe der zwölf einstündigen Folgen fordert die zermürbende Suche ihren Tribut; immer getriebener und grimmiger verbeißt er sich im Geflecht der Mafiastrukturen und in der Suche nach dem entführten Sohn eines Kronzeugen.
Auch die Serie »Gomorrha« bettet das fiktive Erzählgerüst um die Patenfamilie Savastano in die Realität ein, die der Sachbuchautor Roberto Saviano seit vielen Jahren furchtlos recherchiert. Wie bereits die zweite und dritte Staffel, setzt nun auch die vierte wieder exakt da ein, wo die vorherige aufhörte. Wieder geht es um Umwälzungen der Machtstrukturen, zwischen den traditionsbewussten alten Mafiosi und dem rüpelhaft wilden Nachwuchs. Das leiseste Anzeichen von Schwäche oder Verrat gefährdet die fragilen Bündnisse. Gennaro will sich aus dem illegalen Drogengeschäft zurückziehen, plant als Bauunternehmer einen riesigen Flughafen in der Region. Doch schon beim geringsten Widerstand eines Bankiers oder Stadtrates fällt er reflexhaft auf seine brutalen Mafiamethoden zurück. Und die junge Frau, die er zum Boss seines Viertels gemacht hat, muss besonders hart agieren, um sich gegen den Machismo des Milieus zu verteidigen und gegen die finsteren Kräfte des Familienzusammenhalts.
Szenenwechsel von den Straßen der italienischen Cosa Nostra zu den arabischen Clans von Neukölln, in der dritten und wohl letzten Staffel von »4 Blocks«. Wie Gennaro in Neapel will auch Tony Hamady seine Existenz legalisieren, nur etwas kleiner. Um das Sorgerecht für seine Tochter nicht zu verlieren, arbeitet er als Fußballcoach im Kiez, doch wie sein italienischer Kollege wird auch er wieder in den Sumpf des Verbrechens hineingezogen. Patenehre und Familienloyalität sind zugleich alles und nichts. Die paranoide Angst vor dem Verrat und die Gier nach Geld und Macht halten das Karussell von Folter und Mord in Bewegung. Auch hier bringt sich eine Riege weiblicher Handlungsträger in Stellung, schade nur, dass die leitenden Frauen auf der Seite des Gesetzes recht blass und verbissen wirken. Im ergiebigen Bonusmaterial der Blu-ray erzählen die Produzenten Quirin Berg und Anke Greifeneder, die Autoren Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad und die Regisseure der drei Staffeln, Marvin Kren, Oliver Hirschbiegel und Özgür Yildirim, mit vielen der Darsteller und Darstellerinnen von der Entstehung der Serie, die immer noch zum aufregendsten gehört, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat.
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