DVD-Tipp: »Total Recall« und »Showgirls«

© Studiocanal

Der große Provokateur

Kaum jemand hat in seiner gesamten Karriere so streitbare Filme gedreht wie der Niederländer Paul Verhoeven, der vor allem von der etablierten, bürgerlichen Filmkritik lange Zeit als Schmuddelfilmer abgetan wurde. 1973 kam mit »Türkische Früchte« sein erster Skandalfilm in die Kinos, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, eine Oscar-Nominierung erhielt und bis heute der erfolgreichste Film aller Zeiten in den Niederlanden ist. Die anarchistische Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und Ode an die sexuelle Freiheit schockierte aber viele Zeitgenossen. 

Sex, Krieg und Gewalt sind wiederkehrende Themen im Œuvre Verhoevens, das jedoch vor allem in Frankreich und in den USA seit einigen Jahren sehr viel ambivalenter und positiver rezipiert wird. Nun sind zwei ganz unterschiedliche Werke von Paul Verhoeven aus seiner Hollywoodzeit in Deutschland in sehr gut ausgestatteten und restaurierten Fassungen auf Blu-ray erschienen: »Total Recall« (1990) und »Showgirls« (1995).

Obwohl Paul Verhoeven »Total Recall« zunächst nicht drehen wollte, weil er nach »RoboCop« nicht als Action-Science-Fiction-Filmemacher festgelegt werden möchte, stellt der Film eine Weiterentwicklung des Science-Fiction-Genres dar. Arnold Schwarzenegger spielt Quaid, einen scheinbar ganz normalen Arbeiter, der sich auf eine virtuelle Reise zum Mars begeben soll. Aber plötzlich wird er von Agenten gejagt und scheint ein ehemaliger Geheimdienstmann zu sein, der zum Widerstand übergelaufen ist. Die Mischung aus visueller Innovation, knallharter Action, Sex, Liebe, Humor und dem permanenten Spagat zwischen Traum/Utopie und Wirklichkeit hebt »Total Recall« gerade auch wegen seiner Totalitarismuskritik und Anleihen bei George Orwells »1984« über übliche Hollywoodware hinaus. Wie fast alle Filme von Verhoeven wird »Total Recall« in Deutschland im Kino erst ab 18 Jahren freigegeben. Bis 2011 ist diese Version auf VHS und DVD indiziert. Erst seit 2012 ist der Film ab 16 Jahren zugänglich und nun in einem Steelbook völlig neu restauriert erschienen. Zu den interessanten Ex­tras gehören Dokus über das Studio Carolco und die Entstehungsgeschichte des Films. Jahrelang steckte »Total Recall« in der sogenannten »Entwicklungshölle« fest. Es gab über 40 Drehbuchfassungen, und vor Paul Verhoeven wurde auch eine Weile David Cronenberg als Regisseur verpflichtet. 

Nach dem Erotikthriller »Basic Instinct«, mit dem Paul Verhoeven 1992 seinen weltweit größten Boxoffice-Hit feierte, folgte mit »Showgirls« scheinbar sein tiefer Fall. Das »Musical« über eine Stripperin, die zur Tänzerin in einer teuren Erotikshow aufsteigt, spielt in Las Vegas. Die Hauptfigur Nomi Malone wehrt sich bei ihrem Aufstieg auch gegen männlichen Machtmissbrauch und sexuelle »Gefälligkeiten«. Das wurde jedoch 1995 überhaupt nicht weiter beachtet. Die Kritik verriss »Showgirls« einmütig als »dümmlichen Sexfilm«. Es regnete Goldene Himbeeren, aber Paul Verhoeven bewies einen gesunden Hang zur Selbstironie: Er holte sich als erster Regisseur persönlich den Schmähpreis als »schlechtester Regisseur« ab. In dem Mediabook zu »Showgirls« erfährt man viel über die Rehabilitierung des Films. In #MeToo-Zeiten gilt »Showgirls« plötzlich nicht mehr als sexistisch und reaktionär, sondern als einer der ersten Hollywoodfilme, der sich kritisch und offen mit sexueller Gewalt in der Unterhaltungsbranche auseinandersetzt, er hat den Status eines verkannten Kultfilms. Auch das ist übertrieben. »Showgirls« bleibt ein aufgeblasenes B-Picture mit einer Groschenheftstory, ein durchgeknalltes, wüstes Stück Kino, das permanent zwischen sexy-erotisch und voyeuristisch laviert und die Grenzen zum schlechten Geschmack bewusst überschreitet. Aber der Film wirkt heute als Kuriosum durchaus unterhaltsamer als vor 25 Jahren.


Total Recall, USA 1990. Doppel-Blu-ray Steelbook. Extras: u.a. Doku »Total Excess: Wie Carolco Hollywood veränderte«. Anbieter: Studiocanal.

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Showgirls – You Don't Nomi, USA 1995. Anbieter: Capelight.

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