TV-Tipp: »Der Mordanschlag«
»Der Mordanschlag« (2018). © ZDF/Gordon Muehle
Am Ostermontag 1991 wurde der Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder in seinem Haus in Düsseldorf mit einem gezielten Gewehrschuss getötet. Was gemeinhin als das letzte erfolgreiche Attentat der dritten Generation der RAF gilt, ist bis heute nicht aufgeklärt, auch wenn zehn Jahre später DNA-Spuren am Tatort dem RAF-Mitglied Wolfgang Grams zugeordnet werden konnten, der 1993 auf dem Bahnhof von Bad Kleinen bei seiner versuchten Verhaftung ums Leben gekommen war.
Dass bei dem Mord an Rohwedder, dessen Aufgabe die »Sicherung, Neuordnung und Privatisierung des Vermögens der Volkseigenen Betriebe der DDR« war, alte Stasi-Seilschaften (bei denen RAF-Mitglieder einen Teil ihrer Ausbildung an Waffen erhalten hatten) ihre Hände im Spiel gehabt haben könnten, dass aber vielleicht auch bundesdeutsche Wirtschaftsbosse involviert gewesen sein könnten, denen Rohwedders Vorgehen bei der Abwicklung der DDR-Wirtschaft nicht passte, weil er damit ihre Pläne durchkreuzte, sich dabei in Glücksrittermanier selber zu bereichern, hält sich seit langem als Gerücht. Genau das ist der Stoff des zweiteiligen Politthrillers »Der Mordanschlag«.
Im Zentrum des Films steht die Fiktion, dass es der RAF gelingt, ein Mitglied bei ihrem Zielobjekt einzuschleusen. Sandra Wellmann ist eine junge Frau, die sich auf die Stellenanzeige als Assistentin für Treuhandchef Rohwedder beworben hat. Ihn selber überzeugt sie schon bevor er noch weiß, dass sie wegen der Stelle hier ist – durch ihre Direktheit (und die gemeinsame Vorliebe für heimliches Rauchen). Bei ihrem Aktenstudium erweist sie sich später als höchst kompetent, begreift, dass ihr neuer Chef (der hier Dahlmann heißt) zwar das Gesicht der Treuhand ist und deshalb nicht nur Hassobjekt für die RAF, sondern auch für ostdeutsche Arbeiter, die durch ihn ihre Arbeitsplätze gefährdet sehen, ebenso wie für westdeutsche Industrielle, die sich mit Hilfe eines Wirtschaftsanwalts DDR-Betriebe durch dubiose Geschäfte mittels Scheinfirmen unter den Nagel reißen wollen.
Dahlmann (Ulrich Tukur) selber, der anfangs arrogant erscheint, erweist sich als integer und idealistisch, genau das bringt Sandra in die Zwickmühle. Petra Schmidt-Schaller verkörpert sie als Zögernde, Hin- und Hergerissene, die keine Probleme damit hat, ihren kleinen Sohn immer länger in der Obhut ihrer Mutter (Suzanne von Borsody) zu lassen, die aber von der Terroristin Bettina Pohlheim (Jenny Schily) immer wieder angetrieben wird, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Erst später wird ausgesprochen, was zuvor eine Vermutung war: der Vater ihres Sohnes ist ein untergetauchter RAF-Terrorist – ihn könne sie erst wiedersehen, wenn Dahlmann tot ist. Damit hat Pohlheim sie im Griff.
Eine weitere Handlungsebene zeigt die Beamten des BKA bei ihren Ermittlungen, die überwiegend durch Pannen und Rückschläge gekennzeichnet sind. Hier ist es die Figur des BKA-Beamten Kawert (Maximilian Brückner), die mit einer privaten Geschichte ausgestattet wird: sein Frau (Bernadette Heerwagen) betrügt ihn vor seinen Augen mit einem Kollegen. Da beide bei der Spurensicherung arbeiten, bekommt er das an jedem Tatort unmittelbar mit.
Diese Erzählung als Familiendrama ist eine zentrale Strategie des Films: wir sehen Dahlmann am Ende des ersten Teils in seinem Haus im Kreis seiner Familie, Ehefrau, Tochter und Enkelsohn, wir sehen Sandra Wellmann ihren kleinen Sohn immer öfter in der Obhut ihrer Mutter zurücklassend. Dabei bedient sich der Film einer Emotionalisierung, in der wiederholt Kinder eine zentrale Rolle spielen. Trotz fiktiver Namen orientiert sich das Attentat selber sehr genau an der Wirklichkeit, bis hin zu den 63 Metern, die den Schützen von seinem Ziel trennten.
Im zweiten Teil folgt der Film der Flucht von Wellmann und Pohlheim und ihrer zunehmend aussichtsloser werdenden Lage, denn die Depots der RAF mit Waffen und Geld werden von der Polizei längst observiert, einer ihrer Helfer wird vor ihren Augen von einem unbekannten Scharfschützen ermordet. In klassischer Politthrillermanier endet auch dieser mit einem resignierenden Protagonisten, dem BKA-Mann Kawert – es bleiben mehr Fragen als Antworten.
Dem Autor André Georgi, der den Stoff parallel auch zu einem in knappen Sätzen geschriebenen Roman verarbeitet hat, der sich wie eine Vorlage des Films liest (»Die letzte Terroristin«, im August bei Suhrkamp erschienen), und dem Regisseur Miguel Alexandre (im Kino vor einigen Monaten mit dem Kammerspiel »Arthur & Claire« vertreten) ist jedenfalls ein höchst spannendes Werk gelungen, das ad acta gelegte Vorgänge wie die Treuhand und die RAF-Stasi-Connection noch einmal dem Vergessen entreißt.
Im Anschluss an den zweiten Teil zeigt das ZDF eine Dokumentation von Florian Hartung. Neue Erkenntnisse über den Mord sucht man hier allerdings vergebens. Die unterlegte elektronische Musik, die wiederholten Zeitrafferaufnahmen und die zur Illustration verwendeten Filmausschnitte (bis hin zur verdrehten Aussage zu dokumentarischen Bildern: »Wie im Spielfilm gehen Menschen auf die Straße«) sind nicht unbedingt Erkenntnis fördernd, gelungen dagegensind jene Ausschnitte aus zeitgenössischen Fernsehreportagen, in denen Rohwedder selber zu Wort kommt – in der Tat ein Mann offener Worte.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns