DVD-Tipp: Deutschland in Serie

 »Weissensee« (Serie, 2010ff).  © Telepool

»Weissensee« (Serie, 2010ff). © Telepool

»Weissensee« | »Deutschland 83« | »Die Stadt und die Macht«

Ein längerer Atem, ein größeres Erzählvolumen und risikofreudiger Wagemut. Vor allem aber originär deutsche Stoffe, die nicht nur wiederkäuen, was sich in Amerika, England und Skandinavien bewährt hat, die stattdessen glaubhaft in der deutschen Lebenswirklichkeit und Geschichte verwurzelt sind: Neuerdings macht es richtig Spaß, deutsche Serien anzuschauen, mit komplexen Verflechtungen von Politik, Verbrechen und Familie, in Welten voller Widersprüche, mit Figuren, die weder strahlende Helden, noch finstere Bösewichte sind, sondern immer ein bisschen von beidem. Angefangen hat es vor gut fünf Jahren mit »Weissensee«. In drei Staffeln fächert Friedemann Fromm da den Alltag in der letzten DDR-Dekade auf, die Jahre 1980, 1987 und 1989, drei Generationen und zwei Familien, in verschiedenen Stadien von starrer Ideologie, erschütterter Hoffnung, zermürbender Ernüchterung und herzzerreißender Verzweiflung. Sukzessive hat er sich damit sein Publikum herangezogen, das nun auf eine vierte Staffel hofft, über die Auswirkungen des gerade durchlittenen Mauerfalls. Statt Ost-West-Klischees zu bedienen, spürt Fromm dem Gift der Spitzelei nach, das die Beziehungen und das Leben zersetzt. Das ist spannend konstruiert, mit all den Verflechtungen von politischen und privaten Zielen, wahrhaftig und mitreißend gespielt von Schauspielern wie Florian Lukas, Hannah Herzsprung, Katrin Sass, Uwe Kockisch, Anna Loos und Jörg Hartmann, an Schauplätzen, die keine Fernsehkulissen sind, sondern echter Lebensraum. 

Das wiederum gilt auch für die achtteilige Serie »Deutschland 83« mit ihrer kühnen Verschmelzung von deutschem Lebensgefühl und amerikanischem Erzähldrive, von realem Setting und fiktiver Agentengeschichte. Auch hier kann man die porentief und detailreich zum Leben erweckte Zeit förmlich riechen, die Kriegstreiberei auf beiden Seiten der Mauer und die Atmosphäre von Angst und Paranoia, die daraus entsteht, aber auch das bunte Chaos von Antiatomkraftdemos und Friedensbewegung. Mittendrin ein junger DDR-Grenzsoldat, der auf höchster Ebene in der deutschen Bundeswehr eingeschleust wird, um die Gefahr eines Westangriffs auszukundschaften. Jonas Nay bringt ihn in einer tollen Mischung aus neugieriger Verwunderung, abenteuerlicher Frische und nervöser Beklemmung zum Schillern. Die Mischung aus Herz, Humor und Spannung hat hierzulande zwar nur mäßige Quoten erreicht, was wohl vor allem dem unzeitgemäßen wöchentlichen Senderhythmus bei RTL anzulasten ist, Deutschland aber doch auf der internationalen Serienkarte etabliert.

Ein paar Jahre später klinkt sich Kilian Riedhof in »Der Fall Barschel« in die historische Bundesrepublik ein, mit Matthias Matschke als Mimikry-Version des unter rätselhaften Umständen in einer Genfer Badewanne gestorbenen CDU-Ministerpräsidenten. Nach der jüngeren Vergangenheit wird seit neuestem auch die Gegenwart zum deutschen Serienmaterial. So spielt Friedemann Fromm in der sechsteiligen Miniserie »Die Stadt und die Macht« einen fiktiven Bürgermeisterwahlkampf im heutigen Berlin durch. Anna Loos kämpft sich als leidenschaftliche Rechtsanwältin durch einen Sumpf von Korruption und Verbrechen. 

Schließlich steht auch in Till Endemanns zweiteiliger Miniserie »Das Programm« eine weibliche Heldin im Zentrum, Nina Kunzendorf als pragmatisch reservierte, herbe Leiterin des Zeugenschutzprogramms. Eine seismographische Handkamera nimmt die Schwingungen auf, die das Geflecht von Verbrechern, Informanten, Polizisten und ihren Familienmitgliedern durchzieht. Und wieder liegt die Stärke im gelungenen Balanceakt zwischen dokumentarisch recherchierter Wirklichkeit und fiktionaler Zuspitzung. Bitte mehr!

 

 

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