TV-Tipp: »Essential Killing«
Er rennt. Zunächst einsam durch eine Wüstenlandschaft, später durch die verschneiten Wälder Polens. Der bärtige Mann ist ein islamischer Gotteskrieger, der amerikanische Soldaten getötet hat und verhaftet wurde. Die US Army steckt den Feind in die obligatorische orangene Gefängniskleidung mit der schwarzen Kapuze, die man schon aus Michael Winterbottoms Road to Guantanamo kennt. Aber Essential Killing ist kein weiterer Film über die unwürdige Art, wie die USA mit ihren politischen Gefangenen umgehen. Das Thema streift Regisseur Jerzy Skolimowski in seinem bemerkenswerten Ein- Mann-Film nur ganz flüchtig. Denn erst wenn die Gefangenen in die Weiten Osteuropas verfrachtet werden, ein Transporter umstürzt und es dem Häftling gelingt, sich zu befreien, beginnt die eigentliche Geschichte (oder Nichtgeschichte) des Films.
Gehetzt wie ein Tier, ganz auf sich allein gestellt, spielt Vincent Gallo mit einer unglaublichen physischen Präsenz diesen Einsamen. Essential Killing handelt weniger vom Töten als vom Überleben, davon, wie ein Mensch auf seine Urinstinkte in einer unwirtlichen Natur zurückgeworfen wird. Nur selten trifft dieser ewig Rastlose bei seiner Flucht auf Menschen, die er dann nur in Feinde oder potenzielle Nahrungsbeschaffer unterteilt. Skolimowski filmt Szenen ausbrechender Gewalt immer nüchtern, nie reißerisch. Sie fügen sich nahtlos in die nüchterne Dramaturgie des Filmes ein. Skolimowski arbeitet hauptsächlich mit einer überaus präsenten Handkamera, nur selten unterbrochen von grandiosen Landschaftstotalen. Auf eine Psychologie der Hauptfigur verzichtet er fast völlig, streut jedoch kurze Rückblendenein, die ein normales Leben vor dem Krieg suggerieren.
Essential Killing gilt zu Recht als künstlerisches Comeback von Jerzy Skolimowski. Der 1938 geborene Pole verließ wie Roman Polanski bereits in den 60er Jahren seine Heimat und feierte mit Deep End (1970) und Moonlighting (1982) Erfolge. Leider schaffte es sein neuer Film, 2010 in Venedig uraufgeführt, trotz zahlreicher internationaler Preise nie in die deutschen Kinos.
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