Serien-Tipp: »Ray Donovan«
Der Pay-TV-Sender Showtime war bisher aufs Comedy-Genre spezialisiert. Mit Weeds und Californication liefen zwei der Zugpferde des Senders aufgrund sinkender Quoten aus. Die von Ann Biderman (Drehbuch zu Public Enemies, 2009) erdachte Serie Ray Donovan war im Sommer 2013 ein Versuch des Senders, sich dem Drama zu nähern. In den USA endete gerade erfolgreich die zweite Staffel; in Deutschland startete das ZDF Mitte September die Free-TV-Ausstrahlung der Quality-TV-Serie mit Hollywood-Schauspieler und –regisseur Liev Schreiber in der Hauptrolle, Eddie Marsan (Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit) und Urgestein Jon Voight als verstoßenes Familienoberhaupt. Der undankbare Sendeplatz freitags gegen Mitternacht verhalf der überaus gelungenen Serie in Deutschland zu keiner großen Prominenz.
Raymond Donovan ist die personifizierte "Irish Pride": wohlhabend, stilsicher und männlicher als jeder Bareknuckle-Fighter. In einer gepflegten amerikanischen Suburb lebt er mit seiner Ehefrau Abby und den beiden Kindern Connor und Bridget ein auf den ersten Blick behütetes Leben. Alles andere als gewöhnlich ist allerdings Rays Beruf als "Fixer" in der Glamour-Welt von L.A. Sein Klientel erstreckt sich von Rappern über Schauspieler, Produzenten bis hin zu Politikern und CIA-Agenten. Ray räumt den Dreck weg und ist dafür ständig in seiner schwarzen Luxuslimousine unterwegs. Wenn der maßgeschneiderte Designer-Anzug mal etwas Blut abbekommt, wird er kurz in der Stammboutique ausgetauscht.
Engen Kontakt pflegt Ray in der Freizeit zu seinen Brüdern Terry (Eddie Marsan), der ein Gym in L.A. betreibt, und dem durch ein Kindheitstrauma mental sehr angeschlagenen Jüngsten Bunchy (Dash Mihok). Im Gegensatz zu seinen Brüdern vermeidet Ray jeden Kontakt zu seinem Vater, dem Ex-Knacki Mickey (Jon Voight), dessen Vergangenheit in der Serie omnipräsent ist. Nach und nach werden jedoch auch die dunklen Geheimnisse und Eigenarten der anderen Familienmitglieder aufgedeckt, was für die eine oder andere deftige Überraschung sorgt. Die Diskrepanz zwischen dem Saubermann-Images und der inneren Zerrüttung der Familie spiegelt sich am deutlichsten in den Settings: Das Zuhause des Clans und der Glanz der Hollywood Mansions stehen im Gegensatz zu dem abgenutzten Donovan-Gym, in dem viele der familiären Konflikte gipfeln.
Ganz in der Tradition der Quality-TV Shows der letzten Jahre lebt auch Ray Donovan von der expliziten Darstellung von Sex und Gewalt, die Amerika so zu lieben scheint, hält sich dabei aber immer noch bedeckter als andere Primetime-Serien im Pay-TV. Die Charakterkonstellation liefert ein weiteres dieser moralisch zerrütteten Familienbilder, die in der US-Serienlandschaft und insbesondere bei Showtime immer wieder auftauchen (etwa auch in Shameless, House of Lies).
Liev Schreiber besitzt als Ray Donovan eine beeindruckende Screen-Präsenz, sein raffiniert gezeichneter Charakter zeigt eine monotone Gefühlskälte, die an Schlüsselpunkten immer wieder aufbricht und den Zuschauer an die Serie fesselt. Auch die von der Irin Paula Malcomson verkörperte vernachlässigte Ehefrau, die sich in der Upper Class nicht wirklich verorten kann, bleibt im Serienverlauf eine sehr interessante Figur, deren Entwicklung man entgegenfiebert. Altmeister Jon Voight (Oscar für Coming Home, 1978) sieht man in Ray Donovan gar in einer Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert scheint und für die er dieses Jahr zu Recht mit einem Golden Globe geehrt wurde. Als unberechenbarer Egoist und kaltblütiger Verbrecher kontrastiert seine Rolle im Verlauf der Serie immer wieder in den kurzen Momenten des Familienmenschen.
Die erste Staffel der Serie läuft zur Zeit im ZDF, eine DVD- und BluRay-Box erscheint am 4. Dezember 2014
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