DVD-Tipp: Western alt und neu
© Koch Media
Ein Dreigroschenfilm, voller Poesie und Gewalt, sanft und verrückt, rührend und subtil, von fröhlichem Schwung und guter Gesundheit«: So beschrieb einst Francois Truffaut Edgar G. Ulmers The Naked Dawn (der in Deutschland als Santiago, der Verdammte herauskam) und beschuldigte die Universal, diesen Film eher zu sabotieren als zu verleihen. Unter dem Label »Western-Legenden« veröffentlicht Koch Media seit einigen Jahren in liebevoll ausgestatteten Book-Editionen neben Western-Klassikern immer wieder auch solche bizarren Genreperlen, Nebenwerke, die die Mythen des Wilden Westens gegen den Strich bürsten, mit einem Hauch von Renoir und Ophüls, wie Truffaut in seinem zärtlichen Text bemerkt, der im Booklet nachgedruckt ist.
Ein alternder Outlaw auf der Durchreise wird für einen kurzen Moment vom Zauber eines geordneten Lebens mit Farm und Frau verführt: Arthur Kennedy spielt den mexikanischen Bankräuber Santiago, der bei einem jungen Farmerpärchen unterschlüpft und Unruhe in deren kleines, genügsames Leben bringt, mit einer Mischung aus philosophischer Lebensweisheit, rauem Draufgängertum und zynischer Abgeklärtheit. Diese flüchtige Ménage-à-trois, in der sich die Kräfteverhältnisse unablässig verlagern, leistet sich für einen Western eine ganze Menge Gefühle und wies damit Truffaut den Weg, wie die Verfilmung von Henri-Pierre Rochés»Jules und Jim« funktionieren könnte.
Ziemlich wild ist auch die Geschichte in War Arrow (Verschwörung auf Fort Clark). Zwischen der Kavallerie im Fort und den Indianern draußen gibt es keine verlässlichen Fronten mehr. Ein verschollener Major führt die Kiowa in den Krieg gegen die weißen Soldaten, und Jeff Chandlers Major Howell Brady holt sich die friedlichen Seminolen als Verstärkung. Er bringt ihnen Army-Taktiken bei, während er zugleich mit einer gebildeten Indianerin und der schönen Witwe (Maureen O’Hara) flirtet. Zumindest in Andeutungen war 1955 in den B-Western schon einiges möglich.
Während die Indianer unter dem Dutzendware-Regisseur George Sherman noch ein marodierender Haufen Wilder sind, spielen sie in den Western des 21. Jahrhunderts eine sehr viel würdevollere Rolle, beispielsweise in Kelly Reichardts Meek’s Cutoff, wo der in der Ferne auftauchende Indianer ein ruhiger, schweigender Beobachter ist, spürbar im Einklang mit dem Land. Die Filme der Independent-Regisseurin Reichhardt sind existenzielle Reisen durch Amerika, das gilt auch hier, bei ihrem ersten Trip in die Vergangenheit. Dabei ist Meek’s Cutoff ein untypischer Pionier-Western. Fern der Kinomythen lotet der Film mit dokumentarischem Gespür aus, was es damals wirklich bedeutete, mit allem Hab und Gut im Ochsenkarren über endlose Strecken durch unbekanntes Gelände zu ziehen. Kelly Reichardt und ihr Drehbuchautor Jonathan Raymond haben sich wesentlich an den Berichten und Fotos der Siedler orientiert, genau wie sich Thomas Arslan in seinem Goldgräberwestern Gold von den Berichten über den Klondike-Goldrausch inspirieren ließ. Wenn er Nina Hoss als selbstständige Frau ins Zentrum seines kleinen Goldsuchertrupps stellt, hat das auch damit zu tun, dass Arslan bei den Recherchen auf sehr viele Tagebücher von Frauen gestoßen ist, die damals zum Teil tatsächlich allein unterwegs waren. In den historischen Überlieferungen hat er auch den besonderen Dreh für seinen Westen deutscher Machart gefunden, einen ganz eigenen Weg.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns