Wonder Boy
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Sohn. TV-Star. Hollywoodlinker. Abenteurer, Krisen-Banker, Sex-Opfer, Amokläufer. Kassenschlager und Flops. Die Karriere von Michael Douglas ist lang, gewunden und manchmal sehr bizarr. Dazu passt, dass er jetzt, mit 69, ein Comeback in der Rolle des schwulen Entertainers Liberace feiert. Was für ein Showtalent! Von Birgit Roschy
Man muss es sehen, um es zu glauben – wie vergnügt sich Michael Douglas als welker Bonvivant Liberace von seinem »boy toy« Matt Damon besteigen lässt. Seine Rolle in Steven Soderberghs vielleicht letztem Meisterwerk Liberace ist ein typischer Douglas-Coup: eine riskante Rolle, die den Zeitgeist – hier das Coming-out von Homosexuellen und den Kampf gegen ihre Diskriminierung – mitten ins Herz trifft. Oder ihn sogar anführt. Wer alt genug ist, um Michael Douglas 1987 in Wall Street im Kino erlebt zu haben, weiß, dass sein Auftritt als gerissener Finanzhai auf eine Generation, die »was mit BWL« machen wollte, so prägend wirkte wie später Johnny Depp als koketter Piratenbubi auf jene, die dann die entsprechende Partei gründete. Oft wird kolportiert, dass die Bad-Banker von 2008 Douglas’ skrupellosem Gordon Gekko nacheiferten. Typisch ist auch Douglas’ Reaktion auf diese augenzwinkernden Interviewfragen, die ihm zur Wall Street- Fortsetzung 2010 gestellt wurden. Statt sich wie Stanley Kubrick, der im Alter bereute, Uhrwerk Orange gedreht zu haben, Asche aufs Haupt zu streuen, ließ er sich kein Wort der Kritik über Gekkos »Gier ist gut«-Prämisse entlocken. Stattdessen erzählte Douglas, wie er in der Finanzkrise fast die Hälfte seines Vermögens verloren habe. »Mir wird ganz schwindlig, wenn ich daran denke«, sagte er. Und fügte hinzu, dass schon ein Jahr später sein Konto wieder in Ordnung gewesen sei. Man kann eine Million Dollar darauf wetten, dass er dazu sein Haifischgrinsen aufsetzte. Ein Hasardeur wie er lässt sich eben nicht unterkriegen. Es ist zwar ebenso verführerisch wie falsch, Schauspieler mit ihren Glanzrollen zu identifizieren. Tatsächlich aber scheinen diesem Stehaufmann die Draufgängergene à la Gekko in die Wiege gelegt worden zu sein. Sprechen wir also über seinen Vater Kirk Douglas. »Nach einer Schulaufführung kam mein Vater und sagte: ›Michael, das war schrecklich.‹ Ich konnte förmlich seine Erleichterung spüren, weil er sich sehr sicher war, dass der Kelch der Schauspielerei mangels Talent an mir vorübergehen würde«, schilderte Douglas junior die Reaktion seines Vaters auf seine ersten Gehversuche auf der Bühne. Kirk Douglas, der Alpharüde des alten Hollywood, der von Wikinger über Spartacus bis zu Odysseus keiner Rauferei aus dem Wege gegangen war, scheint auch privat recht brachial gewesen zu sein. In jenen seltenen Momenten, in denen Michael Douglas ein wenig ins Jammern kommt, spricht er über den Fluch der zweiten Schauspielergeneration. Das Gefühl, sich gegen die übermächtige Vaterfigur beweisen zu müssen, kam aber recht spät. »Ich dachte, die Art Schauspieler, die mein Dad war, kann ich niemals werden, also hielt ich mich davon eine Weile lang fern. Ich vertrieb mir die Zeit als Hippie.«
Doch der junge Wilde war mit seinem Reptilienblick und dem Raubtiergebiss mit der charakteristischen Douglas-Kerbe im Kinn zu auffällig, um nicht entdeckt zu werden. Schon seine erste größere Rolle war ein Volltreffer. Als hitzköpfiger Jungpolizist machte er an der Seite von Karl Malden als väterlicher Beruhigungspille die Krimiserie »Die Straßen von San Francisco« zum Hit. Bereits damals hypnotisierte der Newcomer das Publikum durch eine latent aggressive Getriebenheit, die auch von der Wut auf die eigene Sensibilität befeuert schien. Als Douglas 1976 nach vier Jahren aus der TV-Serie ausstieg, sackten die Quoten so sehr in den Keller, dass sie nach einem Jahr eingestellt wurde. Diese Entscheidung war das erste jener künstlerischen und auch finanziellen Abenteuer, die Michael Douglas als Schauspieler und Produzent in den folgenden Jahrzehnten wagte. Selten ging dieser harte Bursche mit garantierten Rennern wie Wall Street 2 auf Nummer sicher. So investierte der Rebell 1975 mangels interessanter Rollenangebote in einen krausen kleinen Film über die Zustände in der Psychiatrie. Mit Einer flog übers Kuckucksnest trat er offiziell in die Spuren seines Vaters, von dem er die Rechte an dem Buch erworben hatte. Douglas senior nämlich hatte Jahre zuvor erfolglos den Stoff auf die Bühne zu bringen versucht. Der sensationelle Erfolg des oscarprämierten Dramas machte den jungen Produzenten zu einem der einflussreichsten »movers and shakers« in Hollywood. Mit Glück im Unglück nahm Douglas, ein Kämpfer für atomare Abrüstung, anschließend mit dem Katastrophenthriller Das China-Syndrom über einen Unfall im Kernkraftwerk den Störfall von Three Miles Island vorweg – und lieferte der entstehenden Umweltbewegung anschauliche Argumente. Stellte Kuckucksnest den Gipfel des New Hollywood Cinema dar, so vollzog Douglas, eine Ikone der Liberalen, wenige Jahre später die Wende zum Blockbuster-Kino. Doch auch seine Abenteuerkomödie Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten gehörte zu jenen Filmen, »an die niemand geglaubt hat«, sagt Douglas; »ein großer Teil meiner Karriere besteht aus Filmen, die erfolgreich wurden, nachdem sie erst mal niemand machen wollte.« Schließlich paarten sich mit Douglas und Regisseur Oliver Stone in Wall Street zwei Superegos, die vor Kraft kaum gehen konnten. Michael Douglas bekam den Oscar und erntete von Papa den sardonischen Kommentar: »Weißt du, Michael, wenn ich gewusst hätte, dass du so erfolgreich werden würdest, wäre ich viel netter zu dir gewesen.«
In Douglas’ »schwanzfixierter« Periode ab Mitte der Achtziger scheint es ihn zudem unvermeidlich zu Aufregern wie dem Erotikthriller Basic Instinct zu ziehen, in dem er als kerniger Cop eine Affäre mit der bisexuellen Femme fatale Catherine Tramell beginnt. Der Skandalfilm des Jahres 1992 führte bei Homosexuellen-Verbänden zu heftigen Protesten. »Schaut ihn nicht an – Catherine hat’s getan«, skandierten die Demonstranten in den USA. Insofern stellt Douglas’ aktuelle Leinwandromanze mit Blondling Matt Damon in Liberace auch eine süße Rache an den einst Empörten dar. Doch auch Feministinnen lieferte er reichlich Munition – mit dem Thriller Eine verhängnisvolle Affäre (1987), in dem eine Karrierefrau und Geliebte eines Managers dessen Familienglück handfest bedroht, und erst recht mit Enthüllung (1994), in dem ihm Demi Moore als verschmähte Karrierefrau eine Anklage wegen sexueller Belästigung anhängt. Er bekam den Ruf eines »Emanzen«-Hassers, der sich, statt wie sein Vater in Sandalen auf dem Schlachtfeld, im neuzeitlichen Geschlechterkampf seine Meriten verdienen will. Dabei hatte er die Grabenkämpfe des Beziehungskrieges schon in der pechschwarzen Scheidungskomödie Der Rosenkrieg parodistisch durchexerziert. Neben Kostar Kathleen Turner spielte er darin einen Ehemann, der ebenso gut austeilen wie einstecken kann – Letzteres so drastisch, dass das Komödienpublikum kollektiv zusammenzuckte (fragen Sie nicht!). Douglas, dessen Auftritte oft den Charakter eines Hahnenkampfes haben, begegnet in diesen Filmen Frauen auf Augenhöhe, nämlich als Ebenbürtige, die mit allen Tricks kämpfen. Diese äußerst maskulinen Biester sind nur mit absurden Drehbuchverrenkungen kleinzukriegen. Und das zu schützende Familienglück des Filmhelden wirkte in seiner Harmonieseligkeit schon damals wie ein schlechter Witz.
Tatsächlich greift gerade für diese vermeintlich frauenfeindlichen Filme Douglas’ eigene Erkenntnis, nach der die Schufte am meisten faszinieren: »Audiences love to hate them.« Nur ist darin nicht Douglas der stilbildende Schurke, sondern der weibliche Gegner – der neben Sex auch andere Waffen nutzt. Wie nebenbei merkt Basic Instinct-Drehbuchautor Joe Eszterhas in seiner Autobiographie »Hollywood Animal« an, dass in Ohio eine Hausfrau nach dem Filmbesuch ihren Mann à la Sharon Stone mit dem Eispickel traktierte. Genüsslich kolportiert Eszterhas außerdem, wie Michael Douglas sich während des Drehs ständig darüber beschwerte, dass ihm als Star des Films das Starlet Sharon Stone »immer eine Nasenlänge voraus« sei. Eszterhas schildert, wie die letzten Szenen zweimal gedreht werden mussten, weil sich sowohl Stone als auch Douglas weigerten, zuerst auf den anderen zuzugehen. Und auch diesmal hatte Douglas den richtigen Riecher. Denn in Basic Instinct musste er sich von Sharon Stone, vielleicht das einzige Mal in seiner Karriere, die Show stehlen lassen. Da half auch die berühmte Reibeisenstimme nicht. Doch schon ging es zur nächsten One-Man-Show, dem Amokthriller Falling Down, in dem das überhitzte Klima der frühen Neunziger noch stärker zur Geltung kommt. Nie trat Daddy Kirks Berserker-DNA deutlicher hervor als im Anzug eines biederen Angestellten, der, getriezt von Chef, Frau, Latino-Gangs und allgemeiner Verkommenheit, zum Rambo wird und im urbanen Dschungel für Schrecken sorgt. Wenn Douglas mit Bürstenhaarschnitt, zusammengekniffenen Augen hinter der Kassenbrille und mahlendem Kiefer den Wutnickel rauslässt, läuft es einem kalt den Rücken runter. Als »Kick-Ass«-Fantasie und Demontage des »Angry White Male« traf auch dieser Thriller den Nerv. Einmal mehr gelingt es Douglas, das Klischee zu durchbrechen. Hinter der Durchgeknalltheit des Charakters scheint eine tiefe Traurigkeit, das Wissen um die Vergeblichkeit allen Strebens auf. Doch statt als verzagter Loser klein beizugeben, inszeniert der Amokläufer selbst sein dramatisches Ende. Laue Gefühle kommen in Michael- Douglas-Filmen nicht vor. Sein Charisma eines Menschen, den es instinktsicher an den Rand des Abgrunds treibt, bringt die Atmosphäre zum Knistern; seine Energie erreicht noch die letzte Zuschauerreihe. Mit anderen Worten: Mit diesem Schauspieler wird es nur selten (etwa im Hitchcock-Remake Ein perfekter Mord) langweilig. Noch nicht mal in der starbesetzten Campuskomödie Die Wonder Boys (2000) darf er, gegen den Strich besetzt, besinnlich werden. Stattdessen steht er auch als Literaturprof im verschlissenen Bademantel, gebeutelt von Schreibblockade, Frauengeschichten und neurotischen Studenten, ständig unter Strom. Curtis Hansons herrliche Komödie gibt dem Star die vielleicht schönste, gewiss aber die lustigste Rolle seiner Karriere. Die Wonder Boys ist ein Film, auf den Douglas besonders stolz war und der deshalb seine schmerzlichste Box-Office-Niederlage darstellte. Das große Publikum wollte den ikonischen Macker nicht als kiffenden Schreiberling sehen, dem die Kontrolle entgleitet. Und erst recht nicht in der vielgelobten Tragikomödie King of California (2007), in der Douglas, mit Bart, einen sympathischen Irren spielt. Im Jahrzehnt vor Wall Street 2 trat der einstige Obermacho selbst in namhaften Filmen wie Traffic meist unter ferner liefen auf. Die Tragikomödie Solitary Man (2009), in der er als Mann in der Midlife-Crisis nach jungen Dingern schaut und seine Ehe und seine berufliche Existenz zerstört, erregte vor allem als vermeintlicher Spiegel seiner privaten Dämonen Aufmerksamkeit. In der lahmen Männerfantasie Der Womanizer zitiert er als Geist eines Lebemanns, der aus dem Jenseits Ratschläge gibt, sein eigenes Image. Auch in der autobiografisch geprägten Tragikomödie Es bleibt in der Familie (2003) imitiert die Kunst das Leben, wenn sich der vom Schlaganfall gezeichnete Vater Kirk, Sohn Michael und Enkel Cameron, der Drogen nicht abgeneigt ist (tatsächlich verbüßt er deshalb zurzeit eine lange Gefängnisstrafe), vor der Kamera treffen. Interessant ist daran nur die Frage, ob Cameron das Grübchen im Kinn geerbt hat.
Doch wer Douglas nach seiner Zähmung in Wall Street 2 und nach seiner schweren Krebserkrankung schon abgeschrieben hatte, kann das Draufgängertum, mit dem er als Liberace das Publikum um den Finger wickelt, nur bewundern. »Wie kann es sein, dass du so gut aussiehst«, fragte David Letterman ihn Anfang September in seiner Show. »Ganz einfach – ich bin auf der Bühne«, erwiderte Douglas. Dieses alte Schlachtross ist noch lange nicht am Ende. »Mit einem 93-jährigen Vater fühlst du dich unsterblich«, sagte er vor drei Jahren. Jetzt ist Daddy 96 und hat mit um die 90 Filmen etwa doppelt so viele wie Michael gedreht. Da bleibt für den Sohn noch einiges zu erledigen...
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