Nahaufnahme von Tom Wlaschiha
Tom Wlaschiha in »Das Boot« (Staffel 1, 2018). © Bavaria Fiction / Sky / Sonar Entertainment / Nik Konietzny
International bekannt wurde er als der charismatische Jaqen H'ghar in »Game of Thrones«. Und immer noch fährt der in Sachsen geborene Tom Wlaschiha im Ausland besser als bei uns
»Valar Morghulis!« Mit diesem düsteren Mantra – »Alle Menschen müssen sterben« –, wurde der deutsche Schauspieler Tom Wlaschiha weltweit bekannt. In der Serie »Game of Thrones« ist er als »Jaqen H'ghar« der erste, der diese Grußformel aussprechen darf; Worte, die, will man Fans der Kultserie glauben, so ikonisch sind wie einst »Beam me up, Scotty!« oder »I'll be back«. Apropos: Arnold Schwarzenegger ist zwar ein Weltstar, während Tom Wlaschiha noch in der Liga darunter, in Serien, siedelt. Doch auch er beweist, dass deutschsprachige Schauspieler durchaus Chancen haben, international zu reüssieren, selbst wenn sie einen so unaussprechlich tschechischen Nachnamen wie Wlaschiha – auf der ersten Silbe zu betonen – tragen. Was den deutschen Akzent betrifft, so folgte der aus Sachsen gebürtige Schauspieler seinem Freiheitsdrang und ging, gleich nach dem Mauerfall, im Alter von 17 Jahren als einer der ersten Ostdeutschen für ein Schuljahr in die USA. Dort lernte er Englisch, wurde von Thomas zu Tom und genoss die Auftritte im Schultheater.
Nach dem Abitur absolvierte er in Leipzig ein Schauspielstudium. Als er nach fünf Jahren seine Festanstellung am Theater kündigte, ging er wieder ein Risiko ein. Als es mit Engagements nicht besonders lief, bewies er mit seinem Umzug nach London, wo sich dem Thirtysomething mit Hilfe einer Agentur ein finanziell interessanterer internationaler Markt eröffnete, erneut den richtigen Riecher.
Zu den vielen Castings, die er absolvierte, gehörte auch ein mit dem iPhone selbstgedrehtes Bewerbungsvideo für eine obskure amerikanische Fantasy-Serie. »Game of Thrones«, für Wlaschiha anfangs »Shakespeare mit ein paar Drachen«, entwickelte sich zur weltweit erfolgreichsten Serie. Als mysteriöser »gesichtsloser« Auftragsmörder Jaqen H'ghar, der von sich selbst in der dritten Person redet, fand der Deutsche mit der samtig tiefen Stimme und dem Medusenblick aus hellgrauen Augen auf Anhieb Anklang. So schrieb Fantasyautor George C.C. Martin H'gahr in zwei weitere Staffeln hinein und verlieh ihm einen guruhaften Nimbus.
Anfangs nur im Ausland auf der Straße erkannt, wird Wlaschiha inzwischen auch bei uns für Fan-Selfies angesprochen. »GoT« folgten weitere großbudgetierte Serienproduktionen wie etwa die Krimiserie »Crossing Lines« mit Donald Sutherland, in der Wlaschiha einen deutschen Technik-Experten in einem Ermittlerteam spielt. Daneben spielte Wlaschiha in den Serienremakes des deutschen Klassikers »Das Boot« den Gestapo-Chef von La Rochelle und in der zweiten Staffel des Actionreißers »Tom Clancy's Jack Ryan« den abtrünnigen BND-Agenten und Terroristen – jeweils der Hauptschurke.
Zwar hat der Schauspieler seit Abschluss seines Studiums in den Neunzigern kontinuierlich auf der Bühne oder vor der Kamera gestanden. Doch erst seit zwei Jahren, so Wlaschiha, ist er in der glücklichen Lage, mehr Angebote zu bekommen, als er annehmen kann. Sein Aufstieg zu Deutschlands derzeit international bekanntestem Darsteller zeigt auch, wie tiefgreifend sich die Branche durch den Streamingboom verändert. Entgegen den Warnungen seines Rektors zu Beginn des Studiums, der den Neuankömmlingen nahe legte, lieber rechtzeitig das Weite zu suchen und nicht aufs Schauspiel zu setzen, hat sich das berufliche Spielfeld in den letzten fünf Jahren vor allem dank der weltweit vertriebenen Serien vergrößert. »In Deutschland werden zu viele Schauspieler ausgebildet. Der Markt ist nicht groß genug für alle«, sagte Wlaschiha noch vor acht Jahren, als sich der »GoT«-Hype erst allmählich abzeichnete. Inzwischen zeigt sich, dass die Geschichten, die Filme erzählen, immer internationaler werden, und Schauspieler, die einen Akzent oder einen anderen kulturellen Hintergrund haben, dementsprechend mehr Chancen auf eine Beschäftigung außerhalb ihrer Heimat haben.
So treten etwa auch Alexander Fehling (»Homeland«) und Max Riemelt (»Sense8«) in internationalen Serien auf. Wlaschiha indes war in Deutschland zwar gut im Geschäft, doch sein Bekanntheitsgrad reichte nicht an den seiner beiden Kollegen heran. Die Bandbreite seiner Engagements erstreckte sich im Kino von den Niederungen deutschen Humors in der pubertären Komödie »Pura Vida Ibiza« (2003) mit Männerstriptease bis hin zu hochkarätigen Literaturverfilmungen, etwa als Teil eines Ensembles vielversprechender Jungdarsteller in »Krabat« und »Die Wolke«.
Im Fernsehen war er oft in Krimiserien zu sehen und gehörte zur Stammbesetzung von »Die Rettungsflieger«. Mit seiner jungenhaft sanften Ausstrahlung gab er auch als Softie in TV-Romanzen eine gute Figur ab. In der unlustigen Kinokomödie »Frisch gepresst« ist er der Mann der Wahl einer nach dem »Bridget Jones«-Vorbild geformten Singlefrau, die ungewollt schwanger wird: ein teddybärhafter Lover, dessen Eigenschaften sich auf gut aussehen, nett und zuverlässig sein beschränken.
Und doch heben Wlaschihas eher rundes als kantiges Gesicht mit weichen Zügen und seine Gelassenheit, die leicht auch als beunruhigend und gefährlich lauernd interpretierbar ist, ihn aus der Masse attraktiver Schauspieler heraus. Er ist definitiv ein Hingucker – kann darüber hinaus aber, je nach Drehbuchvorgabe, eine Ambivalenz verkörpern, die für das Risiko vermeidende deutsche »Beamtenfernsehen« tatsächlich verschwendet scheint. Dazu kommt jenes in einer klassischen Schauspielausbildung erlernte solide Handwerk, das, so Wlaschiha, besonders Amerikaner an europäischen Darstellern schätzen. Dass ein Schauspieler perfekt englisch sprechen muss, stellte sich übrigens als Vorurteil heraus. Für seine erste Rolle nach seinem Umzug nach London, in der fünfteiligen BBC-Serie »The Deep«, musste er für den Part eines Forschers, der mit seinem Team in einem U-Boot in der Arktis gefangen ist, seine Russisch-Kenntnisse aus der DDR-Schulzeit hervorkramen. Zwar wird Wlaschiha, der vier Sprachen beherrscht, dennoch gern als prototypischer Deutscher – etwa als Rennfahrer Harald Ertl in »Rush« und als Prinz Albert, Gemahl von Königin Victoria, in Mike Leighs Künstlerporträt »Mr. Turner« besetzt. Oder auch als Wehrmachtsoffizier wie im britischen Spielfilm »Resistance« (2011), der Verfilmung eines »alternate reality«-Romans, in dem die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Großbritannien besetzen. Immerhin ist Wlaschiha in der männlichen Hauptrolle neben Andrea Riseborough ein ganz unarierhafter und verliebter Besatzer. Doch auch im deutschen Kino tut sich was: Da war Tom Wlaschiha zuletzt in Ken Dukens ambitioniertem kleinem Genrethriller »Berlin Falling« zu sehen. Als kumpelhafter Anhalter, der sich als Terrorist entpuppt, strahlt Tom Wlaschiha erneut jene unheilverkündende Ruhe aus, mit der er bereits als Jaqen H'ghar das Publikum elektrisierte. Zeit, diesen Darsteller auch bei uns neu zu entdecken.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns