Dinosaurier im Film: O mein Gott, es ist ein T-Rex!
»Jurassic World: Das gefallene Königreich« (2017). © Universal Pictures
Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona hat in »Sieben Minuten nach Mitternacht« einen Baum zum Sprechen gebracht, und alle mussten weinen. Mit den Dinosauriern von »Jurassic World« wird der Mann sicher auch fertigwerden. Zum Start des neuen Teils der Saga werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Sauriers im Film – und seine Funktion als kulturelle Ikone
Der Dinosaurier ist ein perfektes Filmobjekt. Denn in dem Moment, in dem er auf der Leinwand erscheint, löst er immer schon eines der großen Versprechen des Kinos ein: Wir bekommen etwas zu sehen, das wir zuvor so nicht gesehen haben. Als ausgestorbene Gattung, deren Erscheinungsformen aus oft bruchstückhaften Fossilien rekonstruiert werden müssen, waren die Dinosaurier stets mit der Fantasie im Bund – man muss schon ins ganz Große denken, wenn man im Naturkundemuseum vor dem Schenkelknochen eines Brachiosaurus steht und sich das atmende, lebende Tier vorstellen soll. Für reichlich fantastisch hielten es zunächst selbst prominente Wissenschaftler, dass der englische Arzt und Hobbygeologe Gideon Mantell Anfang des 19. Jahrhunderts ein paar Zähne einem pflanzenfressenden Reptil aus der Kreidezeit zuschrieb, das er Iguanodon nannte – der Big Bang der Saurierforschung. Die Schlachten, die in den kommenden Jahrzehnten um Dinosaurierfunde geschlagen wurden, gehören zu den unterhaltsamsten der Wissenschaftsgeschichte, und die detailreichen, hochkreativen Zeichnungen und Gemälde, die von den »schrecklichen Echsen« angefertigt wurden, müssten eigentlich in Kunstgalerien hängen.
Schon Anfang der 1850er wurde im Londoner Crystal Palace der erste »Jurassic Park« eröffnet, in Dickens' »Bleak House« erschien ein Megalosaurus, und zehn Jahre später warf Jules Verne seine Helden auf der »Reise zum Mittelpunkt der Erde« in ein prähistorisches Meer: Der Dino war auf dem besten Weg, die popkulturelle Ikone zu werden, die wir kennen. Natürlich landete er irgendwann im Kino. Und hier war er nicht nur eine Herausforderung an die Vorstellungskraft – er befeuerte die Entwicklung der Filmtechnik. Eine Dinosaurierdame namens Gertie, als Werbemaßnahme erfunden von dem Cartoonisten Winsor McCay, verhalf 1914 dem Zeichentrick zum Durchbruch. Und Harry O. Hoyts »The Lost World«, die freie Stummfilmadaption des gleichnamigen Romans von Arthur Conan Doyle, war 1925 eine der ersten Produktionen – es heißt: der erste Langfilm überhaupt –, die mit Stop-Motion-Animation arbeiteten; es gelang dem Effektpionier Willis O'Brien sogar, Dinosauriermodelle und Schauspieler in einem Bild zu kombinieren. Die Technik wurde zum Standard westlicher Monster Movies und hielt sich – abgesehen von Irrwegen wie der slurpasaur-Methode, bei der lebende Reptilien zum Einsatz kamen – bis zur Entwicklung moderner mechanischer Modelle in den Achtzigern. Prägend fürs Genre waren auch die beiden Grundmotive des Films. Da ist die verlorene Welt des Titels, ein prähistorisches Biotop, das sich unterm Radar der Zivilisation in einem südamerikanischen Dschungel behauptet hat. Und im letzten Drittel kommt es zur klassischen Dino-Rampage in einer Großstadt: »Mein Brontosaurus ist ausgebrochen!«
Arthur Conan Doyle hatte noch einen vergleichsweise harmlosen Flugsaurier nach London geschickt. Aber der Saurierfilm neigt zum Spektakel: In Hoyts »The Lost World« kommt angesichts eines in einen Hornsaurier verbissenen aufrecht gehenden Fleischfressers – »It's an Allosaurus, the most vicious pest of the ancient world« – die Handlung praktisch zum Erliegen, und die Filmfiguren vereinen sich mit dem Zuschauer in großäugigem Staunen. Noch lange danach war der Saurier ein erschreckendes, erhabenes Naturschauspiel: fremd, gefährlich, unbegreiflich. Mit den Sauriern in »King Kong« konnte man, anders als mit dem Riesenaffen, auf keiner Ebene verhandeln.
In dem Maße aber, wie sich die moderne Konsumgesellschaft entfaltete, in dem Maße, in dem sie sich selbst Natur aneignete und aufzehrte, wurde der Saurier humanisiert, wenn nicht sogar ein Pflegefall. Man begann, sich mit dem Untergang der Dinosaurier zu beschäftigen. Und damit stellte sich auch für den Menschen die Gattungsfrage: Wenn es möglich ist, dass eine derart erfolgreiche, ausdifferenzierte, imperiale Spezies von der Erdoberfläche verschwindet – könnte uns das nicht ebenso passieren? So imaginierte etwa Disneys Zeichentrickklassiker »Fantasia« 1940 in einer hochdramatischen Episode zu Strawinskys »Le Sacre du Printemps« das Sterben der Saurier in Hitze, Staub und Asche – eine Projektion des Kriegs, des »Weltenbrands« der Nazis, und einer ökologischen Katastrophe, wie man sie damals noch kaum erahnen konnte.
Der Bildwissenschaftler W. J. T. Mitchell hat in »The Last Dinosaur Book«, einer ebenso gefühlvollen wie umfassenden Studie über den Dinosaurier als kulturelle Ikone, die Ambivalenz unseres Verhältnisses zu dieser Spezies beschrieben, das Auf und Ab der business cycles, denen der Dinosaurier unterworfen ist, seine Funktion als »Totem-Tier der Moderne« und als Mittler zwischen Wissenschaft und Populärkultur. »Sie sind wie wir und doch anders. Sie sind erschreckende Monster, aber beruhigenderweise ausgestorben. Wir betrachten den Dinosaurier wie die Obdach- oder Arbeitslosen mit gemischten Gefühlen von Furcht, Mitleid und Wachsamkeit. Schließlich sind wir nicht überflüssig, obdachlos, auf dem Weg in die Vernichtung... oder vielleicht doch? Und sie können uns nicht verletzen... oder etwa doch?«
Arbeitslos wurde der Dinosaurier nun nicht gerade. Doch in den fünfziger und sechziger Jahren sank er zum Schmuddelkind der Popkultur herab, obwohl die Stop-Motion-Technik – etwa bei Ray Harryhausen – Fortschritte machte. So wie die B-Movies, in denen die Dinosaurier nun auftraten, das schlechte Gewissen der Hochkultur waren, repräsentierten sie selbst die Schattenseite der Zivilisation – als Kinder der Atombombe wie »The Beast from 20.000 Fathoms« und die japanische Echse Godzilla – oder den Rückfall in vorzivilisierte Zustände. In handlich-knuddliger Form wurden sie schließlich von den »Flintstones« in die Familienkutsche gestopft – da waren sie selbst nurmehr ein Zeichen fortgeschrittenen Konsums.
Zeit, dem Dinosaurier wieder »ein bisschen Respekt« entgegenzubringen, wie Sam Neill als Doktor Grant am Anfang von Steven Spielbergs »Jurassic Park« einen Jungen mahnt, der nicht begreifen will, was an einem Velociraptor so toll sein soll. Tatsächlich waren es damals, Anfang der Neunziger, umgekehrt die Kids, die den Erwachsenen beibrachten, was der Unterschied zwischen einem Echsenbecken- und einem Vogelbecken-Dinosaurier ist und dass man nicht mehr Bronto-, sondern Apatosaurus sagt: Die neuzeitliche Dinomanie war längst in vollem Gang, spielte sich aber vor allem im Kinderzimmer ab, zwischen Cartoons, Fernsehserien und Museums-Merchandise. Spielbergs Vorlage, der bei uns als »DinoPark« erschienene Bestseller von Michael Crichton, zielte dagegen nicht auf jugendliches, sondern auf volljähriges Publikum; gleich am Anfang stirbt, unmissverständlich, ein Baby. Und jenseits von Splatter und Spekulation – ging es nicht immer darum, die Dinosaurier zurückzubringen? – entfaltete der Roman ein ambitioniertes Bildungsprogramm: Crichton, selbst ein Dinosaurier der Vermittlung von Wissenschaft und Pop, diskutierte die eigentlich alte, von der zeitgenössischen Paläontologie jedoch mit neuen Belegen zementierte Theorie, dass die Dinosaurier mit den Vögeln verwandt sind, brachte wenig beachtete kleinere Spezies wie den Compsognathus und den Raptor ins Gespräch, erklärte die Gentechnik und die Chaostheorie.
Im Film ist das alles heruntergedimmt; hier vereint sich ein ironischer Blick auf die Kommodifizierung des Sauriers mit der naiven Hoffnung, die Natur werde unsere kommerzgetriebenen Manipulationen schon aushalten: »Life will find a way«.
Allerdings markiert »Jurassic Park« mit seinem großzügigen Einsatz computeranimierter Bildelemente den größten technischen Schritt seit der Erfindung des Stopptricks: Wenn dieser Blockbuster ein Herz hat, dann schlägt es in der Szene, in der er zum ersten Mal den Blick auf einen vollständig digital erzeugten Saurier in freier Landschaft eröffnet – einen langhalsigen Pflanzenfresser, der meist für einen Brachiosaurus gehalten wird und sich unterm schwellenden Hauptmotiv des John-Williams-Scores auf die Hinterbeine schwingt, zur grenzenlosen Verblüffung der Paläowissenschaftler Alan Grant und Ellie Sattler. »Wir sind arbeitslos«, sagt Grant einmal. Und Jack Horner, der das Vorbild für diese Filmfigur war, hat nach dem Sequel »The Lost World: Jurassic Park« die Befürchtung geäußert, die Saurier seien technisch zu perfekt: »Es gibt kein Geheimnis mehr. Nun, da wir genau wissen, wie sie aussahen, sich anhörten und bewegten, könnte die Faszination verloren sein.«
Das ist nicht ganz falsch. Zwar werden ständig neue Details über diese interessante Spezies enthüllt – dass manche Arten gefiedert waren etwa –, sie scheinen wie Kreuzfahrtschiffe immer größer zu werden, und der Output an Dino-Environments, -Dokus und -Spielfilmen mit softwaregesteuerten Animatronics oder in CGI reißt nicht ab. Den Reiz, der in den Neunzigern zu überbordenden Fantasien wie »Dinotopia« führte, wo Triceratops und Co eine Schriftkultur haben und mit den Menschen in prachtvollen Städten leben, entfalten sie aber kaum mehr. Im ersten Film der »Jurassic Park«-Folgeserie »Jurassic World« brauchte es zusätzliche Schauwerte, technische Gadgets, um die Geschichte am Laufen zu halten. Und im Kinderzimmer haben längst andere Typen mit komplizierten Namen die Herrschaft errungen: Pikachu, Glumanda und Dragoran zum Beispiel. Viele von denen sehen wie Saurier aus. Sind aber Pokémons. Und funktionieren ganz anders.
Sabine Horst
King Kong
Skull Island ist kein Ort für eine weiße Frau. Die ansässigen Wilden sehen in ihr eine hübsche Opfergabe. Der solcherart beschenkte Riesenaffe entwickelt grobmotorisch besitzergreifende Tendenzen. Und dann kommt auch noch ein Tyrannosaurus Rex des Wegs und macht dem Beast die Beauty streitig. Freilich, zusätzlich und nebenher wimmelt auf diesem Eiland so manch anderes und keinesfalls weniger gefährliches Dinosauriergetier, doch der Kampf zwischen King Kong und T-Rex ist einer der großen, in die Annalen der Filmgeschichte eingegangenen Monsterkämpfe.
Erstmals in die Tiefe der Matte-Paintings gestaffelt in Stop-Motion-Szene gesetzt wurde die Rauferei der Giganten in Merian C. Coopers und Ernest B. Schoedsacks 1933er »King Kong« vom Spezialeffekte-Großmeister Willis O'Brien. Über siebzig Jahre später machten sich die Zauberer von Weta Digital ans Werk, mit nicht minder spektakulärem Resultat. Und selbst wenn Kong-Verehrer Peter Jackson in schönster »Größer, schneller, weiter«-Manier zunächst eine ganze T-Rex-Familie in den Ring schickt – am Ende bricht auch hier krachend der Schädel, schlackert leblos der Kiefer, trommelt Kong sich auf die breite Brust und bestaunt die kleine weiße Frau die große schwarze Männlichkeit.
Alexandra Seitz
Ray Harryhausen
»Ihm haben wir alle unendlich viel zu verdanken«, sagt der britische Animationsfilmer Nick Park im Interview über Ray Harryhausen. Zu Ehren des Stop-Motion-Pioniers hat er den beiden Dinosauriern in seinem neuen Film »Early Man – Steinzeit bereit« die Namen Ray und Harry gegeben. Und über die Steinzeitmenschen seines Films sagt er: »Sie spukten schon lange in meinem Kopf herum, ich glaube, seit ich als Elfjähriger »One Million Years B.C.« sah. Ich liebte die Dinosaurier in dem Film! Er führte dazu, dass ich mir eine Kamera besorgte und selbst Filme drehte.«
Harryhausen (1920–2013) kommt das Verdienst zu, die Stop-Motion-Technik im Kino über Jahrzehnte gepflegt zu haben. Sie ermöglichte es in den Zeiten vor CGI, aus kleinen Modellen auf der Leinwand riesengroße Monster zu machen. Dinosaurier spielen allerdings bloß in vier der 14 abendfüllenden Filme, an denen Harryhausen zwischen 1953 und 1981 als »Creator of special visual effects« mitwirkte, eine Rolle.
Immerhin erwies sich »The Beast from 20.000 Fathoms« 1953 gleich als Prototyp, wird doch der Saurier, der Teile New Yorks zerstört, durch Atombombentests aus seinem Tiefschlaf in der Arktis geweckt. Auch dass er sein Ende im Vergnügungspark von Coney Island findet, wirkt wie eine Vorwegnahme späterer Szenarien. Als geradliniger B-Film ist er Harryhausens Dino-Meisterstück, denn für Irwin Allens »The Animal World« durfte er 1955 nur einen Dino-Prolog beisteuern, während seinen Kreaturen in Hammers »One Million Years B.C.« 1966 starke Konkurrenz erwächst in Gestalt der in einen Fellbikini gehüllten Raquel Welch. Immerhin haben die drei Dinos hier längere Auftritte, später gibt es einen Kampf zwischen zweien, der wie eine Hommage an King Kong wirkt. Das setzt sich 1969 in Harryhausens letztem Dino-Film »The Valley of Gwangi« fort: Der in einem verborgenen Tal in Mexiko von Cowboys mit dem Lasso eingefangene Allosaurus wird zur Zirkusattraktion und bricht natürlich aus. Als Kind kann man sich sehr wohl erschrecken, für erwachsene Zuschauer sind diese Filme Erinnerungen an frühe Kinonachmittage.
Frank Arnold
Die Reise zum Mittelpunkt der Erde
Jules Verne, der fast alles vorher wusste, ließ den Helden seines Romans von Urzeittieren träumen und auf einem Floß auf einem unterirdischen Meer den Kampf zwischen einem Plesiosaurus und einem Ichthyosaurus miterleben. In der ersten Verfilmung 1959, mit James Mason in der Hauptrolle, wurde aus Vernes erahnten Ungeheuern eine Herde drachenartiger Dimetrodon-Saurier: mit Kameratricks zu Monstergröße aufgeblasene Nashornleguane mit auf dem Rücken befestigten Verlängerungen. Außerdem fungiert eine angemalte Teju-Echse als ein in den Ruinen von Atlantis hausendes Riesenchamäleon. Die Untiere bringen jedoch nicht mehr zustande, als die einzige mitreisende Frau zum Schreien zu nötigen. Mit dem schrägen Charme dieses Abenteuerklassikers kann die ebenfalls unterhaltsame zweite Filmversion mit Brendan Fraser von 2008 nicht ganz mithalten. Die Reisenden werden auf dem Ur-Meer von scharfzähnigen Xiphactinus-Raubfischen attackiert, die ihrerseits von Elasmosauriern gefressen werden. Gegen Ende taucht, auf einem Dinosaurierfriedhof, ein Giganotosaurus auf, der nach dem Teenagerhelden schnappt. In einem zum Boot umfunktionierten Tyrannosaurus-Kiefer schließlich lässt sich die Forschertruppe in einem Vulkanschlot, der sich als Vesuv entpuppt, an die Erdoberfläche befördern. Ob mit computeranimierten Echsen oder ohne sie: Vernes Romane sind unverwüstlicher Filmstoff.
Birgit Roschy
Godzilla
Im ersten »Godzilla«-Film von 1954 wird von dem japanischen Wissenschaftler Professor Yamane vermutet, dass es sich bei der radioaktiven, Feueratem speienden Riesenechse – deren Erscheinungsbild von dem kurz vorher im Kino aufgetauchten »Beast from 20.000 Fathoms« inspiriert war – um einen durch amerikanische Nuklearwaffentests im Pazifik mutierten Saurier handelt. Er steht aufrecht wie ein Tyrannosaurus Rex und hat die Rückenzacken eines Stegosaurus. Nach insgesamt 30 japanischen Godzilla-Filmen (und zwei US-Remakes) ist aber klar, dass es sich bei Gojira um ein sogenanntes Kaijū handelt: eine fleischgewordene regulierende Naturgewalt, die insbesondere Japan und seiner Bevölkerung sowohl mahnend als auch schützend zur Seite steht. Der Name »Gojira« ist ein Mix aus den japanischen Worten Kujira (Wal) und Gorira (Gorilla). Mit dem Kaijū Eiga (dem japanischen Riesenmonsterfilm) hat man Godzilla sogar sein eigenes Genre gewidmet. Typisch für dieses Genre ist das traditionelle Suit-Motion-Verfahren, das in 28 Filmen angewandt wurde. Hier wird die Riesenechse von einem Schauspieler im Monsterkostüm dargestellt, der in maßstabsgetreuen Kulissen wütet.
Jörg Buttgereit
Caprona – Die vergessene Insel
Es gibt nicht viele Orte, wo urzeitliche Wesen überlebt haben können – und eine abgelegene, versteckte Insel, umgeben von Eis, Stürmen oder Wolken, am besten an einer Ecke der Welt, wo die Messgeräte versagen, ist die ideale Location. »The Land That Time Forgot«, wie der Film von Kevin Connor aus dem Jahr 1974 im Original heißt. Und es ist dann auch der Ort, wo der Mensch zeigen muss, wieso ausgerechnet er an der Spitze der Evolutionspyramide steht. Wie Kolonisatoren betreten die Menschen Caprona, sie kommen im U-Boot. Es ist das Jahr 1916, ein deutsches U-Boot hat ein britisches Versorgungsschiff versenkt, doch die Briten erobern es mit ihrem amerikanischen Anführer Bowen Tylor (Doug McClure, den man als Trampas aus der Fernsehserie »Die Leute von der Shiloh Ranch« kannte) zurück. Vom Kurs abgekommen, beschließen die Kriegsparteien im Angesicht der Gefahr erst einmal Freundschaft zu schließen. Denn Caprona ist feindlich genug: Fluss-, Flug- und andere Saurier dezimieren die Besatzung schnell. Neandertaler gibt es auch, die im Laufe ihres Lebens eine Metamorphose zum Cro-Magnon durchmachen: Caprona ist ein Mirokosmos, in dem alles sehr schnell geht – und quasi die gesamte Erdgeschichte rotiert. Aber ganz so einfach macht es sich der Film dann doch nicht – die Menschen vernichten sich selbst, bis auf Tylor und eine aparte Wissenschaftlerin. Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch, wie es bei Gottfried Benn heißt.
Rudolf Worschech
In einem Land vor unserer Zeit
Die Welt von Littlefoot ist unterteilt in Fleisch- und Pflanzenfresser, und natürlich sind in diesem Dinosauriermärchen die Vegetarier die Guten. Zusammen mit anderen Baby-Dinos unternimmt »Langhals« Littlefoot eine Odyssee zum verheißenen Paradies, einem grünen Tal. Die Produzenten Steven Spielberg und George Lucas servierten mit ihrem Zeichentrickfilm von 1988 schwere Kost: Die armen Kleinen müssen Tod, Verlassenheit und eine apokalyptische Welt mit Vulkanen, Erdbeben und besonders dem Godzilla-ähnlichen Verfolger Scharfzahn überwinden. Trotz (oder wegen) des alptraumhaften Szenarios liebte das Kinderpublikum das rührende Dino-Epos, das bis heute 13 Fortsetzungen auf DVD erfuhr. Denn die fünf Mini-Dinos, versehen mit bewimperten Kulleraugen, sind Platzhalter für tollpatschige Kinder, die sich zusammenraufen und ihr Potenzial entdecken müssen. Spielberg übte dabei schon mal für »Jurassic Park«, in dem er, mit Hilfe von Computern und Animatronics statt Zeichnern, die friedlichen Langhälse und den schrecklichen Tyrannosaurus wiederauferstehen ließ.
Birgit Roschy
Carnosaur
Der von Roger Corman produzierte Film ist ein Meisterstück des schlechten Geschmacks. Gezielt nutzte der König der B-Movies den Hype um »Jurassic Park« und brachte seine exploitable sensation (»Variety«) vier Wochen vor Spielbergs Blockbuster ins Kino. »Carnosaur« ist also ein Mockbuster, ein Trittbrettfahrer, der an die Werbung einer Großproduktion mit ähnlichem Titel oder Thema anknüpft. Ähnlich der Film »Jurassic Fuck« von Teresa Orlowski, der aber – weil »Jurassic« geschützt war – als »Die Attacke der Porno-Saurier« startete.
»Carnosaur« (Regie: Adam Simon) kostete 850.000 Dollar und spielte 1,8 Millionen ein. Trotz seines Kalküls ist der Film nicht unkreativ. In der subversiven Dekonstruktion des Saurier-Genres verkörpert Diane Ladd, deren Tochter Laura Dern in »Jurassic Park« auftrat, den Mad Scientist Dr. Tiptree. Die ökobewegte Forscherin bringt ein Virus in Umlauf, das Schwangere mutieren lässt. Bei der Niederkunft sterbende Frauen bringen Dinoeier zur Welt, aus denen ein Deinonychus schlüpft. Die gefräßigen Raubsaurier sollen die Erde zurückerobern, weil die Menschen sich als unwürdig erwiesen haben: »Um die Natur zu retten, muss einer kommen, der rücksichtsloser ist als die Natur selbst«, so Dr. Tiptrees Motto. In diesem Sinn begrüßt ein Umweltschützer, der sich aus Protest an ein Baufahrzeug gekettet hat, einen Saurier, der ihn gleich fressen wird, mit dem Spruch: »Frieden, grüner Bruder«. Klischeevorstellungen der Umweltbewegung, des Öko-Aktivismus und des Tierschutzes werden unter der Tarnkappe des Trashs zur Kenntlichkeit entstellt.
Manfred Riepe
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