Kritik zu Effi Briest
Effi Briest ist nicht nur Fontanes schönster Frauenroman, sondern musste im Lauf der Zeit fünf Verfilmungen über sich ergehen lassen. Jetzt soll eine Modernisierung die Figur wieder interessant machen
Theodor Fontanes Romanvorlage »Effi Briest« war – schon damals – ein Stoff nach dem Leben. Nur starb das reale Vorbild Elisabeth von Plotho, verheiratete Baronin von Ardenne, nicht mit 29 Jahren an gebrochenem Herzen, sondern wurde beinahe hundert Jahre alt. Sie überlebte sogar die erste Verfilmung »Der Schritt vom Wege« (Gustaf Gründgens, 1939) mit Marianne Hoppe und Karl Ludwig Diehl. Die neue Effi Briest ist nach »Rosen im Herbst« (Rudolf Jugert, 1955) mit Ruth Leuwerik, »Effi Briest« (Wolfgang Luderer, DDR 1968) mit Angelica Domröse sowie Rainer Werner Fassbinders Schwarz-Weiß-Adaptation von 1974 mit Hanna Schygulla bereits die fünfte Verfilmung.
Aus Fontanes ungestümer »Tochter der Luft« ist bei Hermine Huntgeburth eine Effi (Julia Jentsch) geworden, die ihren eigenen Kopf hat und sicherer auf beiden Beinen steht, »geerdet« sei, sagt die Regisseurin. Und Produzent Günter Rohrbach empfiehlt, den »quasi vor-freudianischen« Fontane »mit Freud« zu lesen. So fängt der Eheroman, eigentlich eine Coming-of-Age-Geschichte, auf einem Ball auf dem elterlichen Herrenhaus an und statt hellem Sonnenschein – wie im Roman – liegt eine festliche, dennoch nocturne Stimmung über den ersten Bildern. Der Heiratsantrag des zwanzig Jahre älteren Baron von Innstetten (Sebastian Koch) ist bald gemacht und so ganz frei von Standesbewusstsein ist das zögerliche Einverständnis der erst 17-jährigen Effi nicht, die sich – dem Rat der Mutter folgend – als zerzauste Kindfrau präsentiert. Das Leben des frisch vermählten Paars im baltischen Kessin wird nur von einem Chinesenspuk im Ballsaal über dem Schlafzimmer in Unruhe versetzt, ansonsten taucht als einzige Ablenkung der »Damenmann« Major von Crampas (Mišel Matičević) nebst Familienanhang auf, dem Effi bald verfällt. Sechs Jahre später, als die Innstettens mit Tochter Annie längst in Berlin leben, werden Crampas' zufällig aufgefundene Briefe doch noch zum Verhängnis. Die verstoßene moderne Effi arbeitet als Buchzuträgerin in einer Bibliothek und tritt mit dem Selbstbewusstsein einer Arbeiterin auf, als sie sich endgültig von der Familie lossagt, nur die verlorene Tochter nicht so ganz verwinden kann. Mit entschlossenem Schritt zieht Effi zuletzt an Innstetten vorbei, der ein glückloses Dasein fristet.
»Mit Freud lesen« soll wohl heißen, dass hier nicht nur Effis einsame Strandspaziergänge, sondern auch die Leidenschaften einer unerfüllten Frau zu sehen sein sollen. Julia Jentschs Effi spiegelt zwar glaubwürdig den Reifeprozess einer Frau, muss aber gänzlich auf die Hilfestellung von Sebastian Koch verzichten, der eine steife, indifferente Lesart dieses in seinen Zwängen gefangenen Romanhelden abgibt. Die allzu konventionelle Machart des Films wird allenfalls durch den »Chinesen-Spuk« aufgerüttelt, der als Katalysator für die angstbesetzten Sehnsüchte Effis auftritt. Warum eine Neuverfilmung fürs Kino, fragt man sich, wenn es so wenig Neues über eine so großartige deutsche Frauenfigur und ihre Zeit zu sagen gibt?
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