Kritik zu Che – Guerilla
Steven Soderbergh scheint jeden Film gegen den vorangegangenen zu drehen: Im zweiten Teil seiner intimistisch-monumentalen Che-Biografie weicht der Enthusiasmus einer Chronik des Scheiterns
Bei den Begrüßungen darf er noch einer von ihnen sein; zum Commandante wird er erst danach wieder. Wenn Neuankömmlinge zu Ches Truppe stoßen, werden sie nicht mit einer Umarmung willkommen geheißen, sondern mit einem Handschlag. Mit ihm erweist man sich eine Ehrerbietung auf gleicher Augenhöhe. Er bekräftigt das Wohlwollen und gibt dem anderen das Gefühl, man habe bereits viel Gutes über ihn gehört. Er ist eine Initiation in den Kreis der Eingeweihten, ein Ritterschlag. »Revolutionäre«, sagt Che einmal, »sind die höchste Stufe der menschlichen Rasse.«
Steven Soderberghs Che-Diptychon lehrt den Zuschauer, den alltäglichen Gesten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. In ihnen artikuliert er sich mindestens ebenso sehr wie in den Dialogen, verleiht den Figuren ihre Evidenz. Benicio Del Toros Che ist kaum je so präsent wie in diesen persönlichen Begegnungen. Nicht nur Gleichgesinnten bringt er eine geduldige Freundlichkeit entgegen; selbst den feindlichen Rekruten gegenüber, die ihn am Ende in den Stunden vor seiner Hinrichtung bewachen, verhält er sich als unbeirrter Humanist. Die Existenz eines Gegenübers ist für ihn der triftigste Grund, die Hoffnung nie endgültig aufzugeben.
»Che – Guerilla« trägt gründlich Sorge dafür, seinen Helden nie aus dieser Situation des Gegenübers zu entlassen. Der zweite Teil von Soderberghs Biografie setzt ein, nachdem Guevara seine Demission als kubanischer Minister eingereicht hat, um seine Arbeit, die Revolution über die Grenzen der Insel hinaus weiter nach Lateinamerika zu tragen, fortzusetzen. Mit falschen Papieren und verändertem Aussehen, das selbst seine Kinder täuscht, reist er nach Bolivien, um dort im Geheimen eine Rebellenarmee zu trainieren.
Das Drehbuch folgt auch strukturell Ches »Bolivianischem Tagebuch«. Diejenigen Zuschauer, die sich ein umfassendes Lebensbild erwarten, wird der zweite Teil gewiss noch mehr enttäuschen als der erste. Ches gescheiterte Kampagne im Kongo, seine Aufenthalte in Algerien und Prag bleiben ausgespart. Soderbergh erzählt auch nicht, weshalb er sich für seine Pläne Bolivien ausgesucht hat (weil es im Herzen Lateinamerikas liegt). Es wäre ein hübsches Gedankenspiel, wie sehr erst Terrence Malicks Version der Geschichte diese Zuschauer befremdet hätte. Zeitweilig hatte Soderbergh die Regie an ihn abgetreten, da er 1967 in Bolivien als Korrespondent des »New Yorker« den Freiheitskampf begleitet und eine erste Drehbuchversion geschrieben hatte. Wer weiß, ob Malick nicht, wie in »The Thin Red Line« und »The New World«, die Erzählperspektive der Natur gewählt hätte, die mit elegischem Gleichmut das wundersame, brutale Treiben der Menschen betrachtet?
Soderbergh wiederum fühlt sich keiner anderen erzählerischen Verpflichtung gegenüber verantwortlich als der Schilderung der unmittelbaren Situation. Wobei freilich diese Unmittelbarkeit in Zeiten, in denen gerade hierzulande darüber debattiert wird, wie entrückt und folgenlos der politische Idealismus dieser Epoche war, als eine begrüßenswerte Polemik lesbar ist. Das größte Rätsel, das dieser Regisseur aufgibt, liegt ja seit jeher in der Frage, was ihn jeweils an einem Stoff reizt. Er scheint jeden Film gegen den vorangegangenen zu drehen, sich stets neuen technischen und erzählerischen Herausforderungen zu stellen und dabei weitere Facetten der Virtuosität offenbaren zu wollen; nicht ohne mit dem Hastigen, Vorläufigen seiner Methode zu kokettieren. So definiert sich der zweite Teil seines Diptychons auch in der Differenz zum ersten (dem er indes eng in einer durchaus verborgenen Symmetrie verbunden ist). Bild- und Handlungsspielraum dieses Films sind begrenzter, das Cinemascope hat dem Breitwandformat 1:1,85 Platz gemacht, die verhaltene Klangfülle von Alberto Iglesias' Partitur ist vertraulicheren Gitarrenklängen gewichen. Die Kamera hält größere Distanz zum Titelhelden, zeigt ihn oft in Rückenansicht und löst ihn selten aus seiner Entourage heraus. Benicio Del Toro atmet schwerer im zweiten Teil, aber müder ist er nicht geworden. Ches Truppe ist isoliert, die kommunistische Partei Boliviens und auch die Bauern versagen ihm ihre Unterstützung. »Guerilla« erzählt davon, dass diesmal der Zauber nicht mehr wirkt.
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