Kritik zu Der letzte Wolf
Jean-Jacques Annaud nimmt sich erneut des Themas Mensch und Tier an. Er verfilmt einen in China immens erfolgreichen Roman, der von der Begegnung eines Studenten mit Wölfen in der Mongolei erzählt und vor der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichtes warnt
Sie sind gekommen, um den Fortschritt zu bringen, die Studenten, die als Mitglieder der Roten Garden in der Volksrepublik China anno 1967, im zweiten Jahr der von Parteiführer Mao Tse-tung proklamierten Kulturrevolution, in die Provinzen auf das Land geschickt werden. Ihre Koffer haben Chen Zhen und Yang Ke voller Bücher, als sie in der inneren Mongolei ankommen, wo sie den Nomadenkindern lesen und schreiben beibringen sollen. Dass das hölzerne Teil, das ihnen der alte Bilig in ihrer Jurte überreicht, zur Verteidigung gegen Wölfe gedacht ist, muss er dazusagen. So macht dieser Film gleich zu Beginn klar, dass der Lernprozess in die umgekehrte Richtung verlaufen wird.
Nach dem Insert »6 Monate später« hat denn auch Chen Zhen eine Begegnung, die alles für ihn verändert. Die – glimpflich ablaufende – Konfrontation mit einem Wolfsrudel wird für ihn zu einem Erweckungserlebnis. Gemeinsam mit Bilig beobachtet er später die Tiere, während der Alte dazu aus dem Off in raunendem Tonfall eine mythologische Dimension des Zusammenlebens von Mensch und Tier formuliert. Allerdings ist der Respekt, den die Mongolen den Wölfen entgegenbringen, durchaus auch pragmatisch motiviert – was jedoch die Chinesen, die entweder der Parteidoktrin oder dem privaten Profit als Handlungsmaxime folgen, nicht beeindruckt.
Den 2004 zunächst unter Pseudonym veröffentlichten Roman »Der Zorn der Wölfe« von Lü Jiamin, der in China mit 20 Millionen verkauften Exemplaren ein enormer Bestseller war, nimmt der französische Regisseur Jean-Jacques Annaud zum Anlass, um nach »Der Bär« und »Zwei Brüder« erneut das Verhältnis zwischen Mensch und Tier anzugehen. Übrigens auf offiziellen Wunsch aus China, wo seine Filme »Der Liebhaber« und »Sieben Jahre in Tibet« bis heute auf dem Index stehen.
Annaud geht es weniger um die Individualität der Begegnung eines Menschen mit einem Tier als vielmehr um das ökologische Gleichgewicht. Der örtliche Parteifunktionär befiehlt, die Welpen zu töten, trotz der Warnung der Mongolen, dass damit das Gleichgewicht der Natur aus dem Ruder geraten würde. So kommt es dann auch: In der spektakulärsten Sequenz des Films treibt das Wolfsrudel die Pferde der Chinesen in den eisbedeckten See, wo sie einbrechen und die gefrorenen Tierkadaver, halb im Wasser versunken, am nächsten Morgen ein bizarres Bild abgeben. Diese Sequenz wird von Annaud mit höchster Dramatik in Szene gesetzt, in einer Kombination von Hubschraubertotalen und schnell geschnittenen Nahaufnahmen, verstärkt durch die dramatische Musik von James Horner. Da der Film zudem in 3D gedreht wurde, kann einem da schon Hören und Sehen vergehen. Die ruhigeren Momente, zunächst das Beobachten der Wölfe, dann die Aufzucht eines von Chen Zhen geretteten Welpen, verblassen demgegenüber.
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